«Man muss sich ein dickes Fell zulegen»
25.03.2022 BirmenstorfFrauen in Führungspositionen: Ann Zehnder-Fjällman aus Birmenstorf ist zweifache Mutter. Dennoch machte die promovierte Biologin Karriere
Jungen Frauen rät Zehnder-Fjällman, selbstbewusst aufzutreten und zu ihren Wünschen zu stehen. Beruf und Familie zu verbinden, ...
Frauen in Führungspositionen: Ann Zehnder-Fjällman aus Birmenstorf ist zweifache Mutter. Dennoch machte die promovierte Biologin Karriere
Jungen Frauen rät Zehnder-Fjällman, selbstbewusst aufzutreten und zu ihren Wünschen zu stehen. Beruf und Familie zu verbinden, sei machbar, erfordere aber gute Organisation und Flexibilität.
Die Eigenschaft, über den Tellerrand hinauszuschauen, wurde Ann Zehnder-Fjällman bereits in die Wiege gelegt: Geboren wurde die Tochter einer Schweizerin und eines schwedischen Stadtplaners in Schweden. Als sie fünf Jahre alt war, folgte die Familie dem Vater nach Sambia und zwei Jahre später wieder zurück nach Schweden, wo sie bis zur fünften Klasse die Primarschule besuchte. Erst mit zwölf Jahren kam Zehnder-Fjällman in die Schweiz – zunächst in den Thurgau, dann nach Rütihof. Das Interesse an Naturwissenschaften sei schon immer da gewesen, erklärt sie: «Das liegt bei uns in der Familie.» Schon die Eltern und auch der Bruder begeisterten sich für die entsprechenden Fächer. Die Matura an der Kantonsschule Baden konnte die damals 18-Jährige allerdings nicht mehr abschliessen. Denn zeitgleich wanderten ihre Eltern nach Neuseeland aus. Dort studierte die leidenschaftliche Naturwissenschaftlerin später Biochemie und Mikrobiologie und krönte ihre Ausbildung mit einem Doktor in Onkologie an der ETH in Zürich.
Ein Doktor für die Karriere
Eigentlich sei ihre Promotion eine Notlösung gewesen, berichtet Zehnder-Fjällman. Nach ihrer Assistenz an der ETH habe sie nicht sofort eine passende Stelle gefunden. Und für eine Karriere im Pharmabereich, die sie nach einem Praktikum bei Novartis anstrebte, sei ein Doktor unerlässlich gewesen. «Ein halbes Jahr nach dem Studium hatte ich bereits meine erste Leitungsfunktion», erzählt die Expertin für Qualitätssicherung, Prozessoptimierung und Nachhaltigkeit. Doch statt in einem Pharmaunternehmen, begann ihre steile Karriere bei einem Hersteller für Hygiene- und Kosmetikprodukte, bevor sie Jahre später in die Lebensmittelindustrie – unter anderem zu Coca Cola – wechselte. Mit den Positionen stieg auch die Personalverantwortung. Zeitweise führt Zehnder-Fjällman bis zu 32 Mitarbeiter und an mehreren Standorten.
Lernen «nein» zu sagen
Um als Frau eine Führungsposition auszufüllen, müsse man sich ein dickes Fell zulegen, gibt sie auf Nachfrage zu. Ausserdem müssten Frauen lernen, sich besser zu verkaufen: «Männer haben eher kein Problem, im Rampenlicht zu stehen und zu sagen, wie gut sie sind». Auch «nein» zu sagen, fiele Frauen deutlich schwerer. Dafür hätten sie Vorteile im Sozialen, ein besseres Einfühlungsvermögen und legten mehr Wert auf Teambuilding. «Teamspirit ist das Wichtigste, jeder sollte gerne zur Arbeit kommen», findet auch Zehnder-Fjällman, die ihren Führungsstil als offen und vertrauensvoll beschreibt. «Ich habe vielleicht hohe Erwartungen, wie die Mitarbeiter ihre Ziele erreichen, überlasse ich aber ihnen», erklärt sie. Es gäbe selbstverständlich auch Männer mit ähnlichem Führungsstil: «Aber die echten Controlfreaks, die ich kenne, sind alles Männer», lacht sie. Familie und Karriere zu verbinden, sei machbar. Aber ein «Hosenlupf», der gute Organisation erfordere, sagt Zehnder-Fjällman: «Der Partner muss allerdings mittragen, dass die Frau Karriere macht», fügt sie hinzu.
Flexibilität vom Arbeitgeber gefragt
Sowohl sie als auch ihr Mann arbeiten 90 Prozent. «Am Mittwochmorgen arbeite ich im Homeoffice, dann koche ich und danach mache ich Taxifahrten für die Kinder», berichtet sie. Auch die Schwiegereltern helfen kräftig mit, bringen die zehnjährige Tochter und den 13-jährigen Sohn zum Reiten oder ins Karate – eine Luxussituation, weiss Zehnder-Fjällman. Die erste Hürde sei es, eine Kindertagesstätte zu finden, die lange genug geöffnet sei. Die Schweiz sei hier leider noch nicht soweit, wie in Schweden, wo schon in ihrer Kindheit die Primarschule eine Tagesschule war, weil alle Mütter arbeiteten. Es fehle ausserdem teilweise die Akzeptanz, dass man trotz Teilzeit eine Führungsposition einnehmen könne. Hier sei Selbstbewusstsein und Überzeugungsvermögen seitens der Frauen gefragt. «Nicht zögerlich sein, Begründungen geben und Erreichbarkeit anbieten», rät Zehnder-Fjällman: «Ich kann das, ich mach das, ich arbeite effizient». So macht man Karriere.
Michael Lux
Zur Person
Ann Zehnder-Fjällman (46) hat eine Schweizer Mutter und einen schwedischen Vater. Die verheiratete Mutter von zwei Kindern war bereits in verschiedenen Kaderpositionen in der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie tätig. Aktuell ist sie Leiterin Qualität, Prozesse und Nachhaltigkeit beim Tiefkühlbackwaren-Konzern Aryzta zu dem auch die Marke Hiestand gehört.
Ausbildung
1999 MSc in Biologie, Universität Waikato, Neuseeland, 2005 Doktor Onkologie (Dr. sc. nat.), ETH Zürich
Serie: Frauen in Führungspositionen
Bisher erschienen:
Edith Saner, Grossrätin und Beraterin im Gesundheitswesen («Reussbote», 11. Februar)
Gabriella Maher, Head of Enterprise Risk Management, Credit Suisse («Reussbote», 25. Februar)
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