«Das Potenzial in Birmenstorf ist gross»
17.06.2022 BirmenstorfWas die kleine Gemeinde zu bieten hat und warum die Kantonsarchäologie «Go!» sagte zu einem Kulturerbe-Tag am 26. Juni
Bereits die Römer waren hier. Königin Agnes kommt noch einmal zu Besuch. Dann wird getanzt und eine Kapelle mit überraschenden Fresken ...
Was die kleine Gemeinde zu bieten hat und warum die Kantonsarchäologie «Go!» sagte zu einem Kulturerbe-Tag am 26. Juni
Bereits die Römer waren hier. Königin Agnes kommt noch einmal zu Besuch. Dann wird getanzt und eine Kapelle mit überraschenden Fresken öffnet ihre Türen. Am Kulturerbe-Tag wird auch Wein degustiert und gekocht wie im Mittelalter.
Königin Agnes von Ungarn kommt zu Besuch! Am Sonntag, den 26. Juni, wird sie in Birmenstorf Ländereien besuchen, die sie erworben und dann den Nonnen des Frauenklosters Königsfelden geschenkt hatte. Die Schenkungsurkunde hat sie an diesem Tag natürlich dabei. – Eine kleine Präzisierung drängt sich auf: Zwar wird die Königin am Aargauer Kulturerbe-Tag zu sehen sein, aber nicht die echte. Wie auch? Die Königin lebt nicht mehr. Geboren ist sie 1281, vor fast 800 Jahren. 1364 ist sie in Königsfelden bei Windisch gestorben. Dazwischen hat sie, gerade mal 15 Jahre alt, in Wien den ungarischen König Andreas III. geheiratet. Als er fünf Jahre später starb, war sie als junge Frau Witwe.
Der Königin neue Kleider
In Birmenstorf lädt das Museum Aargau am Kulturerbe-Tag zu einem 30-minütigen, szenischen Rundgang ein. Dabei erzählt Agnes von Ungarn, gespielt durch die stellvertretende Direktorin des Museums Aargau, was sie mit Birmenstorf verbindet. Eigens für diesen Auftritt seien die historischen Kleider der Königin genäht worden, erklärt Manuela Weber, Ressortleiterin Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit bei der Kantonsarchäologie. Das Museum Aargau macht zum dritten Mal mit beim Aargauer Kulturerbe-Tag. Es nutzt die Gelegenheit, bekannte Standorte zu verlassen. Gleichzeitig kann es seine Stärken zeigen und historische Persönlichkeiten aufleben lassen – hier also Agnes von Habsburg, respektive die Königin von Ungarn.
Birmenstorf bewirbt sich
Der Aargauer Kulturerbe-Tag hatte 2016 erstmals als Geschichtstag in Sarmenstorf stattgefunden. Es folgten Möriken-Wildegg, Staffelbach oder 2021 Kaisten. Bereits 2019 hat sich die Arbeitsgruppe «Sammlung und Archiv Birmenstorf» beworben. Daraufhin habe die Kantonsarchäologie, so Manuela Weber, als Organisatorin des Kulturerbe-Tags mit Partnern wie Bibliothek und Archiv Aargau, Kantonale Denkmalpflege, Museum Aargau oder auch mit der Abteilung Raumentwicklung abgeklärt, ob das Dorf überhaupt Potenzial für einen solchen Tag biete. Alle hätten recherchiert. «Relativ rasch stiess man im Staatsarchiv auf Agnes und die Schenkungsurkunde aus Pergament mit dem originalen Siegel der Königin», sagt Weber. Eine Reproduktion dieser königlichen Urkunde wird am Kulturerbe-Tag zu sehen sein.
Spuren zweier römischer Gutshöfe
Vor über 100 Jahren waren in Birmenstorf erstmals Spuren eines römischen Gutshofes gefunden worden, in unmittelbarer Nähe zum einstigen Legionslager Vindonissa. Schliesslich entdeckte man im Dorf sogar zwei solcher Gutshöfe, einen im Huggenbüel, den anderen am Bollweg. Zwar finden sich römische Gutshöfe regelhaft übers ganze Mittelland verteilt. «In Birmenstorf aber gibt es deren zwei. Das ist schon sehr speziell», sagt Weber. Die Kantonsarchäologie wird Originalfunde aus den Gutshöfen präsentieren und sie wird auch zeigen, wie mittels modernster Technik – mit Geoelektrik und Geomagnetik – seit einigen Jahren Fundstücke im Boden aufgespürt werden können. Als wäre der Boden aus Glas, zeigt somit an der Rieterestrasse ein «Röntgenblick», was unter der Erde verborgen liegt.
Interessant ist Birmenstorf auch für die Kantonale Denkmalpflege, weil die Friedhofskappelle, die fast abgebrochen worden wäre, mittelalterliche Fresken bietet, die von Seltenheitswert sind. Ausserdem lebten im Dorf schon früh zwei Konfessionen neben- und miteinander. Wie man sich das im Alltag vorzustellen hat, zeigen Quellen aus dem Staatsarchiv und aus der Kantonsbibliothek. Diese Vielfalt, sagt Weber, habe aber vor allem eines gezeigt: «Das Potenzial ist gross.» Und das bedeutete «Go!» für einen Kulturerbe-Tag in Birmenstorf.
Weinbau und Trachtengruppe
Im Austausch mit der Gemeinde eröffneten sich weitere Möglichkeiten. Die Weinbaugenossenschaft Birmenstorf wird in der Alten Trotte zur Degustation einladen und von «Tausend Jahren Reben und Wein» erzählen. Die Arbeitsgruppe «Sammlung und Archiv» präsentiert Zeitzeugnisse aus der Sammlung im Ortsmuseum und zeigt eine Fotoausstellung über «Eine Gemeinde im Wandel der Zeit». Historiker Patrick Zehnder kennt Anekdoten zur «Rüssgfrörni» im Jahr 1929 und zeigt historische Fotos.
Dass am Kulturerbe-Tag selbst das immaterielle Kulturerbe mit einer Tanzvorführung der Trachtengruppe Birmenstorf eine Bühne erhält, freut Manuela Weber besonders. «Das ist unser Link in die Gegenwart.»
Heidi Hess
Der Kulturerbe-Tag
Die feierliche Eröffnung mit einer Ansprache von Georg Matter, Abteilungsleiter Kultur, Kanton Aargau, und Marianne Stänz, Gemeindeammann von Birmenstorf, findet um 11 Uhr auf dem Pausenplatz statt – gefolgt vom Auftritt der Trachtengruppe und dem Besuch der Königin. Von 11 bis 17 Uhr sind für jedes Alter rund um das Schulhaus, bei der Kirche und Richtung Rebberg viele verschiedene Anlässe und Führungen geplant. Etwa ein spielerischer Rundgang durch die Gemeinde, sich wie Römer verkleiden oder römischen Schmuck basteln, eine Schreibwerkstatt mit Feder und Siegel oder über dem offenen Feuer mittelalterliche Köstlichkeiten kochen. – Ausführliches Programm unter: ag.ch/kulturerbetag. hhs



