Das Können wäre da, es fehlt am Wollen
26.08.2022 LeserbriefeFranzösische Kernkraftwerke stehen wegen Korrosionsschäden still oder können im heissen und trockenen Sommer nicht genügend gekühlt werden. Dies verursacht die aktuelle Stromknappheit. Und der aufgrund von Putins Eskapaden massiv gestiegene Gaspreis sorgt dafür, ...
Französische Kernkraftwerke stehen wegen Korrosionsschäden still oder können im heissen und trockenen Sommer nicht genügend gekühlt werden. Dies verursacht die aktuelle Stromknappheit. Und der aufgrund von Putins Eskapaden massiv gestiegene Gaspreis sorgt dafür, dass die Strommarktpreise in den Himmel geschossen sind. Beides zusammen ergibt einen ungesunden Cocktail.
Ende August werden die Stromtarife für das nächste Jahr bekannt gegeben und es ist mit deutlichen Preissteigerungen zu rechnen.
Manch einer hat gemerkt, dass sich eine Fotovoltaikanlage vor diesem Hintergrund vielleicht auszahlen würde. Das gilt insbesondere für Mehrfamilienhäuser, wo mittels der Bildung eines Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch sogar ein Gewinn zugunsten des Eigentümers erwirtschaftet werden kann.
Richtig einschenken würde es aber, wenn die oft grossen Flächen der im Eigentum der Gemeinden stehenden Liegenschaften genutzt würden.
Hier fehlt aber oft jedes Interesse, das vorhandene Potenzial zu nutzen.
In meiner Wohngemeinde Tägerig finden sich ohne langes Suchen mindestens vier Gemeindeliegenschaf- ten, welche über Dächer verfügen, die sich hervorragend zur Stromproduktion eignen: Mehrzweckhalle, Feuerwehrmagazin, Kindergarten und Gemeindehaus. Es handelt sich dabei um Dachflächen von gesamthaft rund 1300 m2 ohne wesentliche Verschattung o. ä. Nun mag eingewendet werden, ein Stromengpass zeichne sich aber Ende Winter ab, im März, und nicht etwa im Hochsommer. Dabei ist zu bedenken, dass von den in meinem konkreten Beispiel pro Jahr zu erwartenden 210 000 kWh zwar durchaus der grössere Teil im Sommerhalbjahr anfällt. Bereits im März wären aber über 17 000 kWh zu erwarten und man darf annehmen, dass dies den Strombedarf der Gemeindeliegenschaften deutlich übersteigen würde.
Ob man noch immer glaubt, es sei vernünftig, sich auf zweifelhafte Brennstofflieferanten zu verlassen oder ob es schlicht Bequemlichkeit ist, welche dafür spricht, das Geld der Steuerzahler nach Moskau und in den arabischen Raum zu schicken, spielt eigentlich keine Rolle. Dass unsere Gemeinde das vorhandene Potenzial zur nachhaltigen Stromproduktion selbst nutzt, erwartet niemand ernsthaft: Die vor wenigen Jahren ausgestiegene Ölheizung in der Schulanlage wurde diskussionslos durch eine neue Ölheizung er- setzt und die defekte Wärmepumpe wurde nicht ersetzt, sondern stillgelegt. Aber vielleicht liest ja der Vertreter eines Elektrizitätswerks diese Zeilen und ist bereit, die entsprechenden Dachflächen zu nutzen und der Gemeinde den auf ihren Dächern geernteten Strom mit einem deutlichen Aufschlag zu verkaufen. Dann hätte die Gemeinde zwar kein Geld verdient, aber wenigstens wäre dann ein kleiner Schritt in die richtige Richtung getan.
Es bleibt die Erkenntnis, dass man sich den anrollenden Energieproblemen durchaus stellen könnte. Man müsste bloss wollen.
Urs Schuppisser, Tägerig