Weichen für die nächsten 20 Jahre stellen
11.11.2022 Künten, Region ReusstalDas Räumliche Entwicklungsleitbild soll die Rahmenbedingungen für die geplante Revision der Bau- und Nutzungsordnung schaffen
Wo liegen die Qualitäten des Dorfes? Was ist erhaltenswert und welche Gebiete sollen in Zukunft entwickelt werden? Mit solchen grundsätzlichen ...
Das Räumliche Entwicklungsleitbild soll die Rahmenbedingungen für die geplante Revision der Bau- und Nutzungsordnung schaffen
Wo liegen die Qualitäten des Dorfes? Was ist erhaltenswert und welche Gebiete sollen in Zukunft entwickelt werden? Mit solchen grundsätzlichen Fragen beschäftigt sich das Räumliche Entwicklungsleitbild (REL), das der Gemeinderat Künten kürzlich vorgestellt hat.
Was darf ich auf meiner Parzelle bauen und was nicht?», lautet hingegen die Frage, die wohl den meisten Grundstückeigentümern unter den Nägeln brennt. Das weiss auch Gemeinderat Yves Moser. Doch diese Fragen wird erst die für nächstes Jahr angesetzte Gesamtrevision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) klären, für die der Gemeinderat an der Winter-Gmeind einen Planungskredit in Höhe von 320 000 Franken beantragen will. Bis dann das ganze Verfahren inklusive Vorprüfung, Mitwirkung und öffentlicher Auflage durchgeführt ist, werden laut Moser voraussichtlich sechs Jahre ins Land gehen – wenn es gut läuft. Noch deutlich weiter gesteckt ist der Zeithorizont des Räumlichen Entwicklungsleitbilds (REL), das der Kanton als Grundlage für Anpassungen der BNO von den Gemeinden verlangt. Es blickt mehr als 20 Jahre in die Zukunft: «Mit dem Dokument hat man eine langfristige Ausrichtung, worauf man achten muss, wenn es zu Baugesuchen kommt – oder zu einer Revision der Nutzungsplanung», erklärt Moser. Denn in zehn bis 15 Jahren seien wahrscheinlich nicht mehr dieselben Gemeinderäte am Ruder wie heute. Im Gegensatz zur BNO sei das Räumliche Entwicklungsleitbild ausserdem nicht «parzellenscharf», betont Moser. Stattdessen unterscheidet es verschiedene Teilgebiete von unterschiedlicher Bedeutung für das Ortsbild und unterschiedlichem Entwicklungspotenzial.
Historischen Dorfcharakter erhalten
Als besonders erhaltenswert führt das Leitbild den historischen Ortskern rund um die unter Denkmalschutz stehende Mühle aus dem 17. Jahrhundert auf. Das Ensemble aus stattlichen Gebäuden erinnere an den Ursprung Küntens als Bauerndorf und sei prägend für das Ortsbild. Das gilt ebenfalls für die historischen bäuerlichen Bauten entlang der Hauptstrassen in Künten und Sulz mit ihren offenen Vorplätzen und Gärten. Diese sollen als Zeitzeugen für künftige Generationen ebenfalls erhalten werden. «Das heisst nicht, dass man in dem Gebiet nicht bauen darf, aber es gibt Auflagen und Rahmenbedingungen», erklärt der Gemeinderat. Man arbeite dafür mit einem externen Ortsbildberater zusammen. Wichtig – gerade bei Neubauten – sei die Hinwendung der Gebäude zur Strasse. Es soll ein «offener Strassenraum» entstehen. Hohe Hecken und Mauern, wie sie aktuell vereinzelt an der Hauptstrasse anzutreffen sind, will man dagegen vermeiden. Als sogenannte «Sichtungsgebiete» bezeichnen die Planer Wohnquartiere, die sich für eine mögliche Nachverdichtung eignen. Beispielsweise im Gebiet «Gried» und «Büntler» nördlich des Taracell-Areals. Dort wünscht man sich ein moderates Wachstum: «Es geht nicht darum, in jedes Einfamilienhausquartier einen Wohnblock zu stellen», so Moser. Stattdessen sollen auch in Zukunft kleinere Gebäudeeinheiten und eine starke Durchgrünung prägend für das Ortsbild bleiben.
Vier wichtige Entwicklungsgebiete
Gebiete, die laut Leitbild ein grosses Entwicklungspotenzial aufweisen, sind das Gebiet «Mitte» gegenüber dem Gemeindehaus, Breite II sowie die Birchmeier- und Taracell-Areale. Während der Gestaltungsplan für Breite II bereits vorliegt, ist die Nutzung des Areals zwischen Volg, Restaurant Waage und Gemeindehaus noch offen. Ein Teil der unbebauten Wiese mit Obstbäumen gehört der Gemeinde, ein weiterer der Familie Notter und der obere Teil rund um die Dorfgarage der Dorfgarage Meier + Staubli GmbH. Konkrete Bauabsichten gibt es laut Moser für die Grundstücke in bester Lage noch nicht, sie liegen aber in der Bauzone. Da der heutige «grüne Charakter» des Ortes ebenfalls identitätsstiftend ist, will der Gemeinderat in Zusammenarbeit mit den Grundstückseigentümern eine Vertiefungsstudie für die weitere Entwicklung durchführen. Das gesamte Areal soll laut Leitbild künftig als Bindeglied zwischen Zentrum und dem rückwärtigen Gemeindehaus fungieren. Die Planer wünschen sich eine gemischte Nutzung mit öffentlichem Raum, etwa für Cafés oder Kitas im Erdgeschoss. Auch das Schaffen von Alters- oder Generationenwohnraum soll als Ziel ins Auge gefasst werden. Miteinbezogen werde auch der Vorplatz des Gemeindhauses, so Moser. Dieser soll demnächst im Rahmen der Installation der neuen Erdwärmeheizung umgestaltet werden.
Ein weiteres Schlüsselgebiet mit Nähe zur Ortsmitte ist das Taracell-Areal. Die gleichnamige Firma spielt mit dem Gedanken ihren Sitz kurz- oder mittelfristig aus dem Ort zu verlegen. Danach soll das Industrie-Areal, das sich in zwei Gebiete nördlich und südlich der Bellikonerstrasse teilt, etappenweise umstrukturiert werden. Auch hier soll eine Vertiefungsstudie Details zur künftigen Nutzung und Verdichtung ergeben. Angestrebt wird, laut Leitbild, ein gemischter Anteil aus Wohnen und Dienstleistungen.
Bevölkerungszuwachs einbeziehen
Im Gegensatz dazu soll das Birchmeier-Areal mit seiner wertvollen Bausubstanz als «industriegeschichtlicher Zeitzeuge» erhalten bleiben. Das REL hebt die «lebendige Heterogenität» und «Urbanität» hervor, die durch die Mischung aus Wohnen und Gewerbe entstehe. Entwicklungspotenzial gibt es demnach aber im westlichen, unteren Arealbereich. Die genaue Nutzung muss ebenfalls im Zuge der BNO-Revision geklärt werden.
Klärungsbedarf gibt es darüber hinaus bezüglich der «öffentliche Anlagen». Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Fläche südlich der Schulanlage: «Dort muss man sich Fragen, wie viel man erweitern muss», erklärt Moser. Derzeit laufe eine Studie zum Schulraumbedarf. «Viel mehr Platz zu bauen gibt es nicht in Künten», ergänzt er abschliessend. Und so fällt das erwartete Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahrzehnten relativ moderat aus: rund 300 Personen mehr als heute sollen im Jahr 2040 in Künten leben. Das wären circa 2100 Einwohner. Eine realistische Einschätzung, findet Moser. Zumal die grünen Siedlungsränder mit ihren Streuobstwiesen erhalten und besser abgegrenzt werden sollen. Als zentralen und wichtigen Grünraum definiert das Leitbild ausserdem den «Wendelihoger» und das Gebiet «Rain». Diese sollen von baulichen Eingriffen weitgehend freigehalten werden. Es gibt also jede Menge Ansätze, die dann in der kommenden Gesamtrevision der Nutzungsplanung vertieft werden können: Wir haben bei ganz vielen Dingen gesagt: «Oh, das ist gut, das werden wir dann in der Nutzungsplanung klären», sagt Moser. Manche davon werden die Gemeinde vielleicht auch noch in 20 Jahren beschäftigen.
Michael Lux