Niemand wusste von Verkaufsplänen
04.04.2023 BirmenstorfDrei Wochen nach der Kiesgruben-Abstimmung gibt die Merz-Gruppe den Verkauf ihrer Firma bekannt
Das Familienunternehmen Merz in Gebenstorf ist verkauft. Das teilt die Firma Merz drei Wochen nach der Abstimmung über den Kiesabbau Grosszelg mit. Die Existenz solcher Pläne wurde vor ...
Drei Wochen nach der Kiesgruben-Abstimmung gibt die Merz-Gruppe den Verkauf ihrer Firma bekannt
Das Familienunternehmen Merz in Gebenstorf ist verkauft. Das teilt die Firma Merz drei Wochen nach der Abstimmung über den Kiesabbau Grosszelg mit. Die Existenz solcher Pläne wurde vor der Abstimmung nicht kommuniziert.
Die Merz-Gruppe verkauft ihr Unternehmen an die Eberhard Unternehmungen mit Hauptsitz in Kloten. Das teilte sie am Freitagmorgen in einer Medienmitteilung mit. Damit wird das Gebenstorfer Unternehmen Merz Erdbau, Baustoff und Logistik AG zur Tochtergesellschaft der Zürcher Eberhard Holding AG.
Laut Mitteilung habe die Eigentümerfamilie Merz bereits vor zwei Jahren entschieden, eine zukunftsorientierte Nachfolgelösung zu suchen. Nun hat das Zürcher Unternehmen die Firma Merz mit allen Aktivitäten und 70 Mitarbeitenden auf den 1. April übernommen. Auch der bisherige Eigentümer und Verwaltungsratspräsident Thomas Merz wird künftig für Eberhard arbeiten. Er werde den Eberhard Unternehmungen in «einer neuen Funktion zur Verfügung stehen».
Sowohl der Standort in Gebenstorf als auch der Name Merz sollen erhalten bleiben. Das Werk in Gebenstorf werde eine wichtige Rolle für die «Versorgung der Region mit ökologisch vorteilhaften Baustoffen» übernehmen, heisst es in der Mitteilung.
Erleichtert nach der Abstimmung
Erst vor drei Wochen zeigte sich der Kiesunternehmer Thomas Merz erleichtert, nachdem die Umzonung von Kulturland in Kiesabbaugebiet im Gebiet Grosszelg an einer Referendumsabstimmung von den Birmenstorfer Stimmberechtigten bewilligt worden war. Gemeinsam mit den Unternehmen Meier Söhne Knecht in Brugg und Richi in Weiningen im Kanton Zürich wird Merz, respektive die Klotener Eberhard Unternehmungen, nach Erhalt der Baubewilligung die neue Kiesgrube betreiben können – voraussichtlich im Jahr 2024 soll es soweit sein.
Nachfolgefrage: Keine Transparenz
Vorausgegangen war der Abstimmung ein leidenschaftlich geführter Abstimmungskampf. Argumente und Fakten wurden monatelang heftig diskutiert. Der Gemeinderat stand geschlossen hinter der Umzonung in ein Kiesabbaugebiet Grosszelg. Eine Gruppe von Kiesgrubengegnern wehrte sich gegen eine neue Kiesgrube, ein Pro-Komitee setzte sich für den Kiesabbau im Grosszelg ein.
Im November wurde der Kiesabbau im Grosszelg an der Gemeindeversammlung abgelehnt (185 Nein zu 152 Ja). Vier Monate später, am 12. März kippte das Resultat an der Referendumsabstimmung ins Gegenteil: 56 Stimmen markierten den Unterschied. Die Bevölkerung sagte mit 567 zu 511 Stimmen Ja zur neuen Kiesgrube. In keiner Phase des Abstimmungskampfes aber kommunizierte die Firma Merz die seit langem geplante Nachfolgeregelung, geschweige denn einen möglichen Verkauf des Unternehmens.
Es darf angenommen werden, dass der eine oder andere Stimmberechtigte mit seinem Entscheid auch einen über 100-jährigen Familienbetrieb im Nachbardorf unterstützen wollte.
«Unabhängig von Projekt Grosszelg»
Die Merz-Gruppe und das Unternehmen Eberhard sprechen in ihrer Mitteilung von einem «Schulterschluss als Ergebnis einer langfristig vorbereiteten Nachfolgelösung. Er wurde unabhängig vom Ausgang der Abstimmung über das Projekt Grosszelg erarbeitet, bei welchen die Merz-Gruppe als Partner mitbeteiligt ist».
In einem Interview mit dem «Reussbote» (Juli 2022) hatte Thomas Merz noch gesagt: «Im Grosszelg soll weitergeführt werden, was für unseren seit 1914 gegründeten Familienbetrieb wichtig ist. Abhängig vom Entscheid der Gemeindeversammlung könnten einschneidende, möglicherweise existentielle Konsequenzen drohen.» Der bisherige Eigentümer der Merz-Gruppe, Thomas Merz, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Baustoffkreislauf vorantreiben
Der bisherige Geschäftsführer Thomas Widmer, ab 1. Mai in neuer Funktion tätig, wiederholt auf Anfrage: «Die Eberhard Unternehmungen haben sich für die Nachfolge unabhängig der Abstimmung Grosszelg entschieden. Eberhard hat Interesse am Kies im Zusammenhang mit dem Standort Gebenstorf, nicht aber für den Zürcher Markt.» Eberhard bezeichnet sich als Pionier in Bau und Umwelt und will «Synergien nutzen, Fachkompetenzen ausbauen und die regionale Tätigkeit weiter entwickeln». Baustoffkreislauf ist ein zentrales Thema im Gebenstorfer Werk. Eberhard will die Kreislaufwirtschaft vorantreiben, dabei soll Gebenstorf eine wichtige Rolle spielen.
Im Zentrum war die Nachfolgeregelung, sagt Thomas Widmer. Zur Übernahmeverhandlung kam es, weil sich innerhalb der Familie keine Nachfolger gefunden hätten. Die Verhandlungen seien geheim gewesen. Das habe man nicht kommunizieren können.
Frau Gemeindeammann Marianne Stänz wurde von Thomas Merz am Freitagmorgen persönlich benachrichtigt. Vom Verkauf habe sie nichts gewusst. Sie habe aber Verständnis für diesen Entscheid: «Es gab keine Nachfolgeregelung.» Marianne Stänz sagt auch: «Für mich zählt, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben.»
Heidi Hess
KOMMENTAR
HEIDI HESS STV CHEFREDAKTORIN
Wie Kiesunternehmer ein Ei gelegt hat
Es ist ein besonderes Ei, welches die Firma Merz kurz vor Ostern präsentierte: Der Kiesunternehmer im Birmenstorfer Nachbarsdorf gibt den Verkauf seiner Firma bekannt. Das Unternehmen Merz geht an die Eberhard Holding in Kloten. Seit zwei Jahren waren Nachfolgeregelung und der Verkauf geplant. Die Birmenstorferinnen und Birmenstorfer aber liess man einen emotionalen Abstimmungskampf lang im Dunkeln.
Die Firma Merz muss sich fehlende Transparenz vorwerfen lassen. Dass der Familienbetrieb im Nachbardorf vor dem Verkauf steht, ist ein Faktor, der ein Ergebnis beeinflussen kann. Diese Information hätte die Stimmbevölkerung für ihren Entscheid benötigt. Vor drei Wochen fiel bei hoher Stimmbeteiligung (56 Prozent) das Ergebnis knapp aus: 52,6 Prozent sagten Ja zur neuen Kiesgrube. Es bleibt Spekulation, ob das Wissen vom Verkauf des Familienbetriebs das Resultat verändert hätte.
Im Kieswerk im Nachbardorf hat seit letzten Samstag ein Zürcher Unternehmen das Sagen. Rund 15 Jahre lang werden im Gebiet Grossszelg somit zwei Zürcher und ein Brugger Unternehmen Kies abbauen. Es ist ein Versprechen: Standort und Mitarbeitende in Gebenstorf bleiben erhalten, der Kies ist für die Region Baden. Die Frage allerdings muss gestellt werden: Kann man diesen Worten noch Glauben schenken?