«Ich wollte etwas Neues ausprobieren»
25.08.2023 Birmenstorf«41 285 km2 Verbrechen» lautet der Titel einer neu erschienenen Kriminalpoesie von Raphael Zehnder
Raphael Zehnder hat neun Kriminalromane geschrieben. Auch in seinem jüngsten Buch dreht sich alles um Verbrechen – dieses Mal aber radikal verkürzt und ...
«41 285 km2 Verbrechen» lautet der Titel einer neu erschienenen Kriminalpoesie von Raphael Zehnder
Raphael Zehnder hat neun Kriminalromane geschrieben. Auch in seinem jüngsten Buch dreht sich alles um Verbrechen – dieses Mal aber radikal verkürzt und verdichtet.
Neun Kriminalromane hat Raphael Zehnder – aufgewachsen in Birmenstorf, heute in Basel – veröffentlicht. 2012 löste Kriminalpolizist Benedikt Müller in «Müller und die Tote in der Limmat» seinen ersten Fall. Zehn Jahre später erschien 2022 mit «Müller und der Himmel über Basel» Fall Nummer neun und damit der bislang letzte Müller-Krimi. In diesem Sommer findet man in den Buchhandlungen dennoch ein neues Büchlein von Raphael Zehnder. Im Titel kommt Kommissar Müller zwar nicht vor. Die Überschrift des jüngsten Buches lautet «41 285 km2 Verbrechen» und darunter «Kriminalpoesie à gogo».
Was also erwartet die Lesenden auf knapp 200 Seiten zwischen diesen beiden Buchdeckeln?
Ein erzählerischer Kunstgriff
Fest steht: Ohne den Müller geht es auch dieses Mal nicht. Autor Raphael Zehnder nimmt die Lesenden gleich auf der ersten Seite mit an den Zürichsee, in eine Gartenwirtschaft. Er beschreibt, wie Kriminalkommissar Benedikt Müller, seine Lebenspartnerin Gülay Sermeter – auch sie Polizistin – und der Zürcher Detektivwachtmeister Manfred Bucher dort ein Feierabendbier trinken. An ihren Tisch hat sich ausnahmsweise auch Autor Raphael Zehnder gesetzt. Diese Wendung ist ein amüsanter, erzählerischer Kunstgriff: Die Erzählebene rund um die fiktiven Figuren Müller, Sermeter und Bucher vermischt sich mit der realen Ebene, in welcher der Autor seine Geschichten erzählt.
Am Zürichsee fragt Manfred Bucher derweil in die Runde: «Wollen wir alles mal aufschreiben?» – «Unsere Erlebnisse ... Interessiert vielleicht die Leute, oder?» – «Warum nicht?», meint Gülay Sermeter.
Beim Feierabendbier lassen die Polizisten gemeinsam mit Autor Zehnder die Idee entstehen, die eigenen Fälle und diejenigen der Kolleginnen und Kollegen zusammenzutragen, zu verdichten und zu veröffentlichen. – Letzteres bleibt Aufgabe des Autors. Gülay Sermeter richtet sich nämlich mit dem Auftrag an ihn: «Du schreibst und wir kramen in unseren Erinnerungen, fragen in unseren Teams und schicken dir Notizen.»
Haikus – mit der Sprache spielen
«41 285 km2 Verbrechen» ist ein Experiment. Es geht unter anderem darum, «alles zusammenzufassen. Kein Schnickschnack, keine langen Beschreibungen», wie Gülay Sermeter ihren Kollegen erklärt. Erzählt werden Kurzdarstellungen von Kriminalfällen von unterschiedlichsten Tatorten. Zehnder verdichtet diese Verbrechen aus den Bereichen Sport, Arbeit, Kultur oder Internet. Es handelt sich um Vergehen, die tatsächlich passiert sind, andere haben einen wahren Kern, wurden aber zugespitzt und manche sind schlicht und einfach erfunden. In «41 285 km2 Verbrechen» finden Leserinnen und Leser ohne Zweifel eine Fülle an Verbrechen, verdichtet als Haiku. Die japanischen Verse klingen dann zum Beispiel so: «Ein Spaten./Sein Schädel./Eifersucht.» und «Die Kamera hat/Er komplett übersehen./Kann man so dumm sein?» oder auch «Rot blüht auf dem Hemd/Die Blume seines Blutes./Der Schuss traf perfekt.» Zehnder definiert Haikus als interessante, verdichtete, reduzierte Form. Nichts sei überflüssig: «Alles muss präzise sitzen.»
Und warum ein solches Experiment? «Nach neun Krimis in romanform wollte ich etwas Neues ausprobieren», sagt der Kulturjournalist. Sprachlich experimentiere er ohnehin in seinen Romanen. «Das habe ich für «41 285 km2 Verbrechen» nun einfach radikaler getan. Ich denke, in dieser Form hat noch niemand Kriminalfälle verarbeitet. Ohne ausufernde Beschreibungen, ohne Psychologisieren, aufs Wesentliche reduziert.» – Müller-Krimi Nummer zehn ist übrigens in Arbeit.
Heidi Hess
«41 285 km2 Verbrechen, Kriminalpoesie à gogo» von Raphael Zehnder, erschienen bei Emons. – Am Samstag, den 28. Oktober, liest der Autor um 20.15 Uhr, im Cholechäller in Niederlenz aus seinem jüngsten Buch.