Hund beisst Kaninchen den Schwanz ab
27.02.2024 BirmenstorfAm Bezirksgericht wurde eine Hundehalterin aus Birmenstorf wegen fahrlässiger Tierquälerei angeklagt
Trotz eines Zaunes konnte die Hündin der Beschuldigten aus dem Garten entwischen und verletzte auf einem benachbarten Grundstück ein Kaninchen. Für die ...
Am Bezirksgericht wurde eine Hundehalterin aus Birmenstorf wegen fahrlässiger Tierquälerei angeklagt
Trotz eines Zaunes konnte die Hündin der Beschuldigten aus dem Garten entwischen und verletzte auf einem benachbarten Grundstück ein Kaninchen. Für die Staatsanwaltschaft ein Fall von fahrlässiger Tierquälerei. Das Gericht urteilte milder.
Weil die 58-jährige Birmenstorferin den entsprechenden Strafbefehl nicht akzeptierte, kam es vergangene Woche vor dem Bezirksgericht zur Verhandlung. Die Beschuldigte erschien auf eigenen Wunsch ohne Anwalt vor Gericht. Auch die zuständige Staatsanwältin war nicht persönlich anwesend. Dies sei bei einem sogenannten Einzelrichterfall nicht erforderlich, erläuterte Gerichtspräsident Daniel Peyer, der selbst die Anklageschrift verlas. Was war passiert? Bei dem Vorfall, der sich bereits Ende August 2023 ereignete, war Magda Müller (Name geändert) bei ihrer Mutter zu Besuch. Dort liess sie ihre Mischlingshündin in den Garten, damit diese ihr Geschäft verrichten konnte. In einem «unbeobachteten Moment», wie es in der Anklageschrift heisst, habe die Hündin dann aus dem eingehagten Garten entweichen können. Wenige Augenblicke später drang diese auf einem benachbarten Grundstück in ein Hasengehege ein und biss einem Kaninchen der Rasse Holländer die sogenannte «Blume», sprich den Schwanz, ab. Das verletzte Tier musste daraufhin notoperiert werden. «Die Beschuldigte als Hundehalterin wäre verpflichtet gewesen, ihre Hündin so zu beaufsichtigen, dass diese anderen Tieren keinen Schaden zufügen kann», begründete die Staatsanwältin im schriftlichen Strafbefehl die Anklage wegen fahrlässiger Tierquälerei. Die Beschuldigte hätte sicherstellen müssen, dass ein Entweichen der Hündin trotz des Zaunes nicht möglich gewesen wäre. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei es voraussehbar gewesen, dass es zu einem Beissvorfall mit Verletzung von Menschen oder anderen Tieren habe kommen können. Die Verletzung des Kaninchens sei also vermeidbar gewesen.
Nach bestem Wissen gehandelt
Die Beschuldigte sah das freilich anders. Bevor sie sich jedoch zum Tatvorgang äusserte, wurde sie von Daniel Peyer nach ihren persönlichen Lebensumständen und ihrem Verhältnis zu Hunden befragt: «Ich bin mit Hunden aufgewachsen», erläuterte die Selbstständigerwerbende. Sie habe immer Hunde aus schlechter Tierhaltung übernommen. In all den Jahren sei es aber noch nie zu irgendeinem Vorfall gekommen – weder mit Mensch noch Tier. Auch bei der achtjährigen Hündin handelt es sich um einen ehemaligen Strassenhund aus Spanien. Dass sie ihre Aufsichtspflicht verletzt habe, wollte die Beschuldigte so nicht stehen lassen. Sie habe die Hündin nur ein bis zwei Minuten aus den Augen gelassen. Noch während sie sich die Schuhe gebunden habe, sei diese ausgebüxt: «Wir wissen nicht, wie sie das gemacht hat», beteuerte die Hundehalterin. Der Garten der Mutter sei mit einem 1,50 Meter hohen, professionellen Hag umzäunt, der eigens eingerichtet worden sei, weil ihre Mutter früher einen grossen Hund besessen habe. Die anschliessende Szene beschrieb Magda Müller in dramatischen Worten. Noch bevor sie die Hündin gesehen habe, habe sie die aufgeregten Schreie des Kaninchenbesitzers gehört. Als sie am Tatort angelangt sei, habe dieser noch den blutigen Schwanz des Kaninchens in der Hand gehabt. Sowohl sie als auch der Besitzer hätten zunächst gedacht, das Kaninchen sei tot. «Es tat mir sehr leid und ich war geschockt», so die bekennende Tierschützerin, die nach eigenen Angaben «zu 90 Prozent Vegetarierin» ist. Weil der Kaninchenbesitzer verständlicherweise sehr aufgebracht gewesen sei, habe sie sich zunächst entfernt, um die Situation zu beruhigen, so die Beschuldigte.
Anzeige zurückgezogen
Kurz darauf meldete sie sich telefonisch beim Geschädigten. Dieser hatte allerdings in der Zwischenzeit die Polizei verständigt, wodurch der ganze Fall ins Rollen kam. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Beschuldigte sich in der Folge mit dem Kaninchenbesitzer ins Einvernehmen setzte und dieser auf eine Anzeige verzichtete. Sie habe die später anfallenden Tierarztrechnungen in Höhe von rund 900 Fr. bezahlt, versicherte Müller dem Gerichtspräsidenten. Sie legte entsprechende Rechnungen vor, ebenso wie ein Schreiben des Veterinärdienstes, der keine Notwendigkeit sah, gegen die Hündin Massnahmen zu ergreifen, da dies der erste Vorfall gewesen sei. «Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen den Hund rausgelassen», betonte die Beschuldigte in ihrem emotionalen Schlussplädoyer. Sie sei keine Tierquälerin – sondern das Gegenteil entrüstete sie sich. Der Vorwurf, sie habe ausserdem die Würde des Tieres verletzt, habe sie sehr getroffen. «Das ist ein juristischer Jargon», beruhigte der Gerichtspräsident, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzog.
Glimpfliche Strafe
Mit einem Freispruch endete die Verhandlung für die Beschuldigte zwar nicht. Daniel Peyer befand aber: «Ob das Tierquälerei im Sinne des Paragrafen ist, habe ich meine Zweifel.» Stattdessen sprach das Gericht die Hundehalterin wegen Widerhandlung gegen das kantonale Hundegesetz schuldig: Man müsse dafür sorgen, dass Hunde nicht andere Tiere verletzen und müsse sie daher jederzeit unter Kontrolle haben, betonte Peyer, der beim Strafmass jedoch Milde walten liess. Da die Frau bereits die Arztrechnungen bezahlt habe, werde auf eine Busse verzichtet. Sie muss aber 50 Prozent der Gerichtskosten, also rund 900 Fr., bezahlen. Im Falle einer Verurteilung im Sinne der Anklageschrift wäre es jedoch deutlich teurer für die Frau geworden. Die Staatsanwaltschaft hatte eine bedingte Geldstrafe von 4500 Fr. plus einer Busse in Höhe von 900 Fr. sowie die volle Übernahme der Gerichtskosten gefordert. Die Beschuldigte zeigte sich vom Urteil erleichtert – vor allem darüber, dass ihr ein Strafregistereintrag erspart blieb.
Michael Lux