Betrogener Ehemann stellt Frau nach
17.05.2024 BirmenstorfEin 40-Jähriger aus Birmenstorf stand wegen «Freiheitsberaubung und Entführung» vor Gericht
Der Beklagte soll seine Ehefrau und deren mutmasslichen Liebhaber zusammen mit Verwandten bis in den Kanton Waadt verfolgt haben. Sie brachten die Frau laut Staatsanwaltschaft ...
Ein 40-Jähriger aus Birmenstorf stand wegen «Freiheitsberaubung und Entführung» vor Gericht
Der Beklagte soll seine Ehefrau und deren mutmasslichen Liebhaber zusammen mit Verwandten bis in den Kanton Waadt verfolgt haben. Sie brachten die Frau laut Staatsanwaltschaft gewaltsam zurück nach Birmenstorf.
Der Vorfall, der am Mittwoch vor dem Bezirksgericht verhandelt wurde, ereignete sich Ende April 2022 nahe Sainte-Croix (VD). Um 1 Uhr nachts trafen Mirko B. (Name geändert), der in Begleitung seiner beiden Geschwister sowie seines Schwagers war, auf seine Ehefrau. Diese befand sich zu diesem Zeitpunkt mit einem anderen Manne in einem parkierenden Auto. Wie sich im Laufe der Verhandlung herausstellte, handelte es sich bei dem Begleiter mutmasslich um ihren neuen Freund.
Laut Anklageschrift soll der Beschuldigte sein Fahrzeug vor das seiner Frau gestellt haben, um die beiden am Wegfahren zu hindern. Dann seien er und seine Begleiter aus dem Auto gestürmt und hätten Fahrer- und Beifahrertür blockiert. Laut Staatsanwalt riss Mirko B. die Fahrertür auf, packte seine Frau an den Handgelenken und zog sie gewaltsam aus dem Auto. Diese schrie laut um Hilfe und versuchte sich zu befreien, worauf der Beschuldigte sie mit den Armen umschlang. Dann soll er ihr das Handy sowie den Autoschlüssel abgenommen haben, während seine Schwester die zu Boden gefallenen Bankkarten an sich nahm. Die Mittäter hielten solange den Begleiter in Schach, der sich später per Autostopp vom Tatort entfernte. Der Frau gelang es schliesslich, sich loszureissen und in Richtung eines Waldstückes zu fliehen. Sie wurde von ihrem Mann jedoch eingeholt und gewaltsam zum Auto geschleift. Danach wurde sie ohne weitere Gegenwehr, aber gegen ihren Willen, nach Birmenstorf gebracht. Dort rief die Frau die Polizei.
Gab es einen Selbstmordversuch?
Die Befragung des Beschuldigten, eines 40-jährigern Schweizers mit Migrationshintergrund, der im Detailhandel arbeitet, gestaltete sich mühsam. Laut seiner Anwältin leidet der Mann an einem diagnostizierten Sprachdefizit. Er habe in seiner Jugend gestottert und könne sich nicht gut ausdrücken. Auf die Fragen der Gerichtspräsidentin antwortete der Mann stockend und teilweise unzusammenhängend. Seine Frau sei nach der Arbeit ohne nähere Angaben weggegangen und habe ihn und die beiden Kinder alleine gelassen. Er habe irgendwann einen Zettel mit einer Adresse im Waadt gefunden und sich dorthin auf den Weg gemacht. «Ich wollte wissen, ob sie mich betrügt oder ob sie bei einer Kollegin ist», sagte B. aus. Er sei nicht aggressiv, sondern ruhig gewesen. Mit welcher Absicht er seine Begleiter mitnahm, wollte er nicht sagen.
Laut Darstellung des Beschuldigten sei seine Frau, nachdem er sie erwischt habe, in Richtung eines dunklen Waldes gerannt und habe sich umbringen wollen: «Ohne Jacke, ohne Schuhe ist sie in den Wald gerannt». Sie habe sich einen Abhang hinunterstürzen wollen. Daher habe er sie umschlungen, dabei habe sie sich ihre leichten Verletzungen zugezogen. Er habe seine Frau beruhigt und gesagt, dass man nach den gemeinsamen Kindern schauen müsse. Anschliessend sei sie freiwillig mit nach Hause gekommen. Dass sie sich schon länger trennen wollte, habe er nicht gewusst.
Anwältin verweist auf Widersprüche
Das Bild, das die Verteidigerin von ihrem Mandanten zeichnete, war naturgemäss gänzlich anders, als das des Staatsanwalts: «Er ist kein albanischer Patriach, der seine Ehefrau unterdrückt». Vielmehr sei er seiner Frau unterlegen. Diese habe ihn hinters Licht geführt und ihn durch widersprüchliche Signale hingehalten. Noch ein halbes Jahr vor der Tat habe sie ein weiteres gemeinsames Kind gewollt. Darüber hinaus sei sie teilweise handgreiflich ihm gegenüber geworden.
«Ehebruch ist selbstverständlich nicht strafbar», so die Anwältin. Sie wies aber auf die psychische Ausnahmesituation des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt hin. In ihrem langen Plädoyer kritisierte sie, dass sich der Staatsanwalt einzig auf die Aussagen der Frau abstütze. Im Strafbefehl wimmle es ausserdem von Fehlern, die nicht mit den Aussagen der Beteiligten übereinstimmten, sagte sie und zählte eine Reihe von Widersprüchen auf. Die Frau selbst, die nach ihrer ersten Aussage ihren Strafantrag zurückgezogen habe, sage ausserdem nicht immer die Wahrheit. So habe ihr Begleiter geglaubt, sie sei bereits seit zwei Jahren von ihrem Mann getrennt. Die Verteidigerin forderte einen Freispruch ihres Mandanten. Dieser beteuerte nochmals unter Tränen er sei unschuldig. Das Gericht sprach ihn vollumfänglich schuldig und verurteilte ihn unter Berücksichtigung der Umstände zu 50 Tagessätzen à 80 Franken (bedingt), statt der geforderten 180 Tagessätze à 70 Franken. Auf eine Busse wurde verzichtet.
Michael Lux