Obstbaumvermehrung – ganz ohne Bienli
16.08.2024 BirmenstorfBei der «Toni Suter Baumschule – Gartenbau AG» läuft die Veredelung von Obstbäumen gerade auf Hochtouren
Okulation nennt sich die Veredelung und Vermehrung von Obstbäumen. Eine Spezialität der Baumschule Toni Suter, wo jedes Jahr 50 000 Jungbäume ...
Bei der «Toni Suter Baumschule – Gartenbau AG» läuft die Veredelung von Obstbäumen gerade auf Hochtouren
Okulation nennt sich die Veredelung und Vermehrung von Obstbäumen. Eine Spezialität der Baumschule Toni Suter, wo jedes Jahr 50 000 Jungbäume gepflanzt werden. Im Traditionsbetrieb hat mittlerweile die nächste Generation übernommen.
Toni Suter ist längst pensioniert, dennoch ist er im Betrieb, den er vor über 40 Jahren mit seiner Frau gegründet hat, noch immer präsent und steht seinen Nachfolgern mit Rat und Tat zur Seite. Nach einem festem Händedruck übergibt er heute jedoch an seinen Sohn Dominik. Jetzt sollen die Jüngeren übernehmen, er mische sich da nicht ein, sagt er lachend. Anfang 2023 hat Dominik Suter mit den Gärtnermeistern Matthias Schultheiss und Daniel Sutter die Geschäftsführung übernommen. Dass es so kam, war nicht von Anfang an in Stein gemeisselt. Er habe zwar immer wieder im elterlichen Betrieb mitgearbeitet, um sich etwas dazu zu verdienen, berichtet er, zunächst studierte er aber Agronomie an der ETH in Zürich. «Der Studiengang vereint die Pflanzenwelt mit dem Wirtschaftlichen und Ökonomischen», erklärt er. Auch Viehhaltung gehörte zu den Inhalten. Immer wieder kehrte Suter aber zu den Obstbäumen zurück. Bis er 2022 in den Betrieb des Vaters einstieg, brauchte es dennoch einige Schritte. Nach dem Studium arbeitete der heutige Chef zunächst in verschiedenen Betrieben in der Westschweiz und Deutschland – unter anderem bei einem gemischten Betrieb mit Obstbau und Baumschule.
Wachstum steht im Vordergrund
In der eigenen Baumschule, in der über 1000 teils alte oder seltene Obstbaumsorten angeboten werden, geht es aber nicht um grossen Ertrag: «Wir wollen, dass der Baum gut wächst. Wenn er zuviel Energie in die Frucht investiert, ist das kontraproduktiv», so Dominik Suter. Eine besondere Spezialität des Betriebs ist die Veredelung und Vermehrung per Okulation, die nicht mehr viele Baumschulen in der Schweiz betreiben. Das Ziel: die Sortenechtheit. Bei der klassischen Fortpflanzung über Bienen und Insekten vermischt sich das Erbgut. Das sei bei der vegetativen Vermehrung, zu der die Okulation zählt, nicht der Fall: «Die Sorte bleibt dabei identisch, quasi wie beim Klonen.» Die DNA der Pflanzen bleibe 1:1 dieselbe.
Gesunde Mutterbäume sind wichtig
Zur weiteren Erklärung fährt Suter mich zu einem Reiserschnittgarten in Rütihof. Nach Sorten paarweise gepflanzt, reihen sich hier die Obstbäume schier endlos aneinander. «Das sind die Mutterbäume. Sie liefern das Pflanzenmaterial für die Reproduktion», erklärt Suter. Gutes Ursprungsmaterial sei das A und O, um gesunde Jungbäume zu bekommen. Von den Mutterbäumen werden besonders starke, einjährige Triebe abgeschnitten, Spitze und Blätter entfernt. Die Blätter dürfen dabei nicht abgerissen werden, damit es keine Verletzungen gibt und der Baum später gedeihen kann. Ebenfalls entscheidend: die Qualität der «Unterlage», der Bäume, auf welche die Triebe aufgesetzt werden. Deren Eigenschaften haben Einfluss auf den späteren Baum – zum Beispiel, ob dieser schnell oder langsam wächst. Normalerweise werden die Knospen auf dieselbe Baumart veredelt. Aprikosen oder Pfirsiche können aber auch auf Zwetschgen-Unterlage gepflanzt werden, da diese verwandt sind.
Die eigentliche Okulation führt Mitarbeiter Linus Peterhans vor. Mit geübter Hand macht er einen flachen Schnitt unterhalb der Knospe, entfernt das Holz, bis die Wachstumsschicht zum Vorschein kommt. «Im Idealfall sollte es ein Gäbelchen geben», erläutert er. Nachdem er mit einem T-förmigen Schnitt die Rinde der «Unterlage» geöffnet hat, wird die Knospe hineingeschoben und mit Tape verbunden. Wenn alles gut geht, wird aus dem einstigen Trieb nach zwei bis vier Jahren ein gut gewachsener, gesunder Jungbaum. Die Methode dient nicht zuletzt dem Erhalt alter und lokaler Sorten, wie der Berner Rose, der Berikerbirne oder der Fricktal Frühkirsche, die sich auf diese Weise sicher vermehren lassen – ganz ohne Hilfe der Bienli.
Michael Lux