Die Gastgeberin, die im Stadion zu Hause ist
11.10.2024 Fislisbach, Region Reusstal«Chez Brigitte», das clubeigene Beizli im Stadion Esp, ist dank Gastgeberin Brigitte Wenger auch ein bisschen das Herz des Fussballs
Es ist viel mehr als ein Fussballclub-Beizli. «Chez Brigitte» ist der ideale Ort, um gemeinsame Siege zu feiern und sich nach Misserfolgen ...
«Chez Brigitte», das clubeigene Beizli im Stadion Esp, ist dank Gastgeberin Brigitte Wenger auch ein bisschen das Herz des Fussballs
Es ist viel mehr als ein Fussballclub-Beizli. «Chez Brigitte» ist der ideale Ort, um gemeinsame Siege zu feiern und sich nach Misserfolgen gegenseitig zu trösten.
Eigentlich sollte sie Kartoffeln schälen, um das Menü zuzubereiten. Denn heute steht ein Derbymatch FC Fislisbach gegen den FC Niederwil an. Aber Brigitte Wenger wird immer wieder unterbrochen. Ihr Mobile klingelt, eine Teamkollegin, die mit ihr in der Küche steht, möchte eine Frage beantwortet haben und da ist auch noch ein Gast, der gerne schon ein Bier hätte. «In weniger als einer Stunde kommen bereits die ersten Gäste», verrät Wenger tiefenentspannt. Die 69-Jährige ist an diesem Abend nicht aus der Ruhe zu bringen. Man spürt sofort, die Wirtin vom clubeigenen Fussballbeizli «Chez Brigitte» hat schon stürmischere und hektischere Zeiten erlebt.
Sie ist eine Gastgeberin mit ganz viel Erfahrung und mit noch mehr Engagement. Ein Profi eben. Seit 37 Jahren führt die Mellingerin bereits Clubhäuser. Jenes vom Fussballclub Baden, später das von Mellingen und seit 16 Jahren nun das Restaurant im Stadion Esp. Dieses bietet Platz für rund 50 Personen (drinnen) und bis zu 100 Personen (draussen). An warmen und sonnigen Tagen spendet die von Peterhans, Schibli & Co. AG gefertigte Bedachung auf der Terrasse herrlichen Schatten, an grauen Tagen Schutz vor allfälligem Niederschlag.
«Café Tätschkopf» ist hoch im Kurs
Wer im heimeligen Beizli nach Gault Millau Punkten sucht, der ist definitiv am falschen Ort. Obschon der Name «Chez Brigitte» ziemlich ambitioniert klingt, gehts im Clubhaus eher urchig zu und her. Keine Fünf-Gänge-Menüs, sondern heissen Fleischkäse und Kartoffelsalat, Chicken-Nuggets mit Pommes, Hotdogs, Grilladen und Schnitzelbrot stehen im Angebot. Alkoholische Getränke und «Café Lutz». Vor allem den «Café Tätschkopf» – in je einer unterschiedlichen Variante für die Ladys oder die Herren.
Den kompletten Wareneinkauf sowie die ganze Logistik des Restaurationsbetriebes stemmt Wenger selber. Es erstaunt auch nicht, dass die umtriebige Rentnerin nebst dem regulären Betrieb zusätzlich Anlässe organisiert wie Kaninchenessen, Sonntagsbrunch, Fondue oder Paellafestival oder gar einen Pizzaplausch. Wann immer sie eine Idee für einen möglichen Anlass habe, erzählt sie, der Fussballclub unterstütze sie uneingeschränkt. Wenger ist es auch, die fast seit Jahrzehnten Tickets besorgt für Fussball-Länderspiele, um gemeinsame Erlebnisse zu haben. Das schweisse doch schliesslich auch zusammen, ist sie überzeugt.
Die Sache mit den Schiedsrichtern
Fast den «Mumm» verloren hat Wenger im letzten Jahr. Dreimal ist sie unglücklich gestürzt und hat sich komplizierte Frakturen zugezogen. «Ich befasste mich ausgiebig damit, tatsächlich meinen Job zu kündigen. Aber dieses Jahr gehts mir blendend und ich denke überhaupt nicht ans Aufhören. Es ist noch lange nicht Schluss.»
Sie sei «Fussball-angefressen». Das müsse man bei dieser herausfordernden Aufgabe schon sein. Wenger ist so in ihrem Element, dass ihr kaum Zeit bleibt, sich ein Spiel persönlich anzuschauen. «Aber ich bekomme sowieso hautnah mit, was abgeht, wenn die Gäste jeweils vor oder nach dem Spiel sehr emotional sind. Vor allem fällt mir auf, dass die Reklamationen an die Schiedsrichter manchmal extrem sind.»
Für Gesprächsstoff sorgt auch der Kunstrasen, der angeschafft werden soll. «Ein kostspieliges Unterfangen», sagt Wenger. An der Fislisbacher Gemeindeversammlung vom 15. November wird darüber abgestimmt, ob das Projekt umgesetzt wird oder nicht. «Auch wenn ich nicht stimmberechtigt bin, da ich nicht in Fislisbach wohne, werde ich vor Ort sein und die Daumen drücken. Die Investition sollte unbedingt gemacht werden.»
(Fast) ein Ganzjahresbetrieb
«Ich liebe den Kontakt zu den Gästen, die teilweise bereits Freunde geworden sind. In all den Jahren habe ich die schönsten Begegnungen erfahren und schon etliche berührende Lebensgeschichten gehört», sagt sie. «Und viel zu lachen gabs auch.» Mittwochs bis freitags, jeweils in den frühen Abendstunden öffnet sie das Clublokal, vor allem zu Trainingszeiten und bei Spielen. Die letzten Gäste verabschieden sich dann oft nach Mitternacht. Samstags und sonntags sei es nicht aussergewöhnlich, dass sie auch mal einen 14-Stundeneinsatz leiste.
Anfang November werden die Türen des Clublokals vorübergehend geschlossen und nur kurz für einen Chlaus- sowie Weihnachtshock wieder geöffnet. «Dann gehts in die wohlverdiente Winterpause. Und ich verschwinde im Januar nach Gran Canaria, an die Wärme.» Dort wird sie sich erholen und das tun, was sie am liebsten macht. Wandern. Sodass sie gestärkt im Frühjahr 2025 wieder mit viel Elan in die neue Restaurant-Saison starten kann. «Mit dem besten Team und dem treuesten Hilfspersonal zusammen», freut sich Wenger.
Isabel Steiner Peterhans