Kirche ist Zeitzeugin für 2000-jährige Geschichte
25.10.2022 Niederwil, FreiamtBeim Erlebnistag «Schatztruhe Kirche Niederwil» begab sich Jung und Alt auf eine kurzweilige Reise von der Römer- bis zur Neuzeit
Die Kirche füllte sich beim Erlebnistag «Schatztruhe Kirche» mit quirligem Leben. Abenteuer pur war für die Kleinen beim ...
Beim Erlebnistag «Schatztruhe Kirche Niederwil» begab sich Jung und Alt auf eine kurzweilige Reise von der Römer- bis zur Neuzeit
Die Kirche füllte sich beim Erlebnistag «Schatztruhe Kirche» mit quirligem Leben. Abenteuer pur war für die Kleinen beim Foxtrail, für die Grossen bei der Kirchengeschichte angesagt.
Unter der Kirche liegen 2000 Jahre alte Überreste von Mauern aus römischer Zeit. «Früher wurden auf bestehenden Mauern neue Gebäude aufgebaut und nicht wie heute alles ausgehoben», sagt Jonas Kallenbach, Denkmalpfleger des Kantons Aargaus. Die erste Kirche wurde um’s Jahr 1000 in einer kleineren Version der heutigen erstellt. Heute steht die fünfte Kirche am gleichen Platz. «1691, als die Kirche erbaut wurde, gab es ausser der Kirche keine so hohen Gebäude. Sie war daher eine Landmarke, eine Art Leuchtturm, in der Landschaft. Wichtig war damals, dass der Turm der höchste der Region war.» 1982 wurde die Kirche bei der Innenrenovation in den ursprünglichen Zustand versetzt. Kallenbach erklärt, dass das zwar schön aussehe, aber nach heutiger Erkenntnis nicht so sei. «Ursprünglich war wohl in der Kirche alles farbiger und nicht so weiss wie heute», so Kallenbach. Auch die Säulen der Altare dürften wohl statt schwarz, rot bemalt gewesen sein. «Die Kirche verfügt über tolle Malereien, die ansonsten im Aargau nicht vorkommen», führt Kallenbach aus. Die Altarbilder stammen vom Mellinger Künstler Johann Georg Wiederkehr, 1647–1724. «Die Bilder sind hochstehend und selten», sagt er. Auch zwei der fast mannshohen Statuen sind wahre Schätze. «Es ist das Beste was der Aargau zu bieten hat», so Kallenbach. Die Statuen sind aus Lindenholz geschnitzt. Die Gesichter sind fein ausgearbeitet. «Die Kirche bietet eine riesige Quelle einer 1000-jährigen Geschichte», sagt er. Besucher Stefan Keller sagt nach dem Vortrag: «Mir hat der Vortrag sehr gut gefallen. Es ist wie heute, beim Kirchenbau wurde auch verglichen, was der Nachbar hat. Und dann hat man den Kirchturm einfach ein paar Meter höher gebaut.»
Schatzsuche in und um die Kirche
Während auf der Männerseite der Kirchenbänke (rechte Seite) die Besucherinnen und Besucher den spannenden Ausführungen über die Kirchengeschichte lauschten, begaben sich die Kinder auf die Schatzsuche durch die Kirche. Damit der nächste Posten gefunden wurde, musste ein Rätsel gelöst werden. «Uns hat die Schatzsuche am besten gefallen», sagen Leoni (8, Fischbach-Göslikon) und Hanna (8, Nesselnbach). «Am Schluss konnten wir ein Freundschaftsarmband aus der Schatztruhe nehmen.»
In der Sakristei zeigte Sakristanin Walburga Grimm das «Kirchensilber». Unter anderem alte und neue Weihrauchfässer, sowie Kerzenständer. In den geöffneten Wandschränken konnte ein Blick auf die Messgewänder für Pfarrer und Ministranten geworfen werden.
Weitere Kirchenschätze waren im Pavillon zu entdecken. Etwa ein restauriertes Tauf-, Ehe- und Totenregister von 1647. «Früher wurden die Register nicht von der Gemeinde, sondern durch die Kirche geführt», sagt Arthur Abt, ehemaliger Kirchenpfleger. Ein weiteres Buch dokumentiert, dass 1866 in Künten 14 Häuser abbrannten und 19 Familien, insgesamt 110 Personen, obdachlos wurden. Es gab einen Spendenaufruf. Nicht nur aus Nachbargemeinden und dem Kanton, sondern aus der ganzen Schweiz kamen Spenden zusammen. Das zeigt: Der Solidaritätsgedanke funktionierte bereits damals. Aufgrund der aktuellen Energiekrise erhält ein Buch mit Aufzeichnungen des Lehrers neue Bedeutung. Dieser schickte seine Schüler nach Hause, als es in der Schulstube am Morgen 3,5 Grad kalt war. Die Mindesttemperatur, bei welcher Schulunterricht stattfinden konnte, war auf 10 Grad angesetzt. Die vom Bund zurzeit empfohlenen 19 Grad in öffentlichen Gebäuden hätten die Schüler damals wohl gerne gehabt.
Estrichbesichtigung und Kirchturm
«Wir vom OK sind überwältigt, dass so viele Leute den Kirchentag besuchen», sagt Mitorganisator und Lokalhistoriker Adrian Flory. Er zeigte zusammen mit Toni Rohrer dem Publikum den Estrich. Vor Ort konnte die Dachkonstruktion der Kirche, sowie eine Ausstellung zu Geburt und Bestattung angeschaut werden. «Ich bin noch nie hier oben gewesen, obwohl ich seit 54 Jahren in der Gemeinde wohne und 42 Jahre im Nebengebäude als Gemeindeschreiber tätig war», sagt Alois Riner bei der Besichtigung. Ausgerüstet mit Ohrschützern ging es nach der Besichtigung des Estrichs zur Kirchturmbesteigung. Dafür mussten 70 Stufen unter die Füsse genommen werden. «Die grosse Glocke und die Aussicht haben mich beeindruckt», sagt Eliane Seiler, Nesselnbach. Grossandrang herrschte bei der Orgel. Kinder versuchten sich als Organist und zogen beim Spiel alle Register. Wie es richtig geht, zeigte ihnen Sandro Oldani, Dirigent des Musikvereins Niederwil und Musikschulleiter, mit einer musikalischen Kostprobe.
Nach der Entdeckungsreise durch die Kirche konnte man sich im Bistro mit Kaffee und Kuchen stärken.
Debora Gattlen







