Auch die ganz heissen Eisen wurden angefasst
05.09.2025 NiederwilDie Ortsparteien SVP und Die Mitte luden zur Podiumsdiskussion. Im Gespräch: die vier neuen Kandidierenden für den Gemeinderat
Die Kandidierenden stellten sich persönlichen Fragen, äusserten sich aber auch zu teils kontroversen Sachthemen. Moderiert wurde die ...
Die Ortsparteien SVP und Die Mitte luden zur Podiumsdiskussion. Im Gespräch: die vier neuen Kandidierenden für den Gemeinderat
Die Kandidierenden stellten sich persönlichen Fragen, äusserten sich aber auch zu teils kontroversen Sachthemen. Moderiert wurde die Diskussion von «Reussbote»-Verleger Benedikt Nüssli. Das Publikum durfte den Kandidatinnen und Kandidaten am Ende ebenfalls auf den Zahn fühlen.
Ich erwarte einen angenehmen Umgangston, Fairness und dass man andere Meinungen respektiert», stellte Moderator Benedikt Nüssli zu Beginn klar. Er versprach im Gegenzug darauf zu achten, dass alle Kandidierenden den gleichen Redeanteil erhielten. In einer kurzen Eröffnungsrunde stellten sich die potenziellen Gemeinderatsmitglieder, die alle bereits im «Reussbote» porträtiert wurden, dem Publikum vor. Anschliessend hatten sie drei Minuten Zeit, um über die Motivation für ihre Bewerbung zu sprechen und für sich zu werben. Welches ihr bevorzugtes Ressort sei, wollte Nüssli ausserdem wissen. Allen gemeinsam ist der Wunsch, sich einzubringen und Niederwil etwas von ihren positiven Erfahrungen zurückzugeben. Nina Haas (SVP), die als Financial Accountant tätig ist und aktuell Betriebsökonomie studiert, schwärmte, wie sie vor 2,5 Jahren mit offenen Armen im Dorf aufgenommen wurde. Davon wolle sie etwas zurückgeben. «Wir haben ein Dorfleben erlebt, das lebt und blüht», sagte die 32-Jährige, die in der Feuerwehr aktiv ist. Sie sehe sich aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds am ehesten im Bereich Finanzen.
«In Niederwil kann ich zum ersten Mal sagen, da fühle ich mich daheim», schlug Cécile Künzli (43, parteilos) in dieselbe Kerbe. Sie sei bereits in der BNO-Arbeitsgruppe und wolle sich im Gemeinderat dafür einsetzen, dass alle verschiedenen Meinungen und Interessen gehört würden. Ihr Herz schlage für die Bereiche Bildung und Kultur sowie die Vereine: «Bildung schafft Perspektiven und Kultur schafft Gemeinschaft», sagte sie. Die selbstständige Naturheilpraktikerin und Dozentin in der Erwachsenenbildung könnte sich aber auch den Bereich Finanzen gut vorstellen. Manuel Stoop (45, Die Mitte) will ebenfalls etwas von den positiven Erfahrungen, die er und seine Familie in den letzten Jahren im Dorf machen durften zurückgeben. «Ich bin überzeugt, dass ich etwas von meinen Erfahrungen aus der Privatwirtschaft einbringen kann», sagte er – Stoop ist Abteilungsleiter bei einem namhaften Automobilimporteur und hat verschiedene betriebswirtschaftliche Weiterbildungen absolviert. In seinem Beruf habe er gelernt, mit unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Lösungen zu finden. Die Themen Bildung, Vereine und Gewerbe sind ihm besonders wichtig: «Das Gewerbe ist die Stütze unserer Schweiz», betonte er. «Ich möchte mithelfen, Niederwil in die Zukunft zu begleiten», sagte Colleen Furrer (parteilos) zu ihrer Motivation. Die Augenoptikerin, die zusätzlich Schülerinnen und Schülern mit Lernschwäche Nachhilfe gibt, möchte sich für Vereine engagieren und Platz für Kultur schaffen. Auch ihre Themen sind Bildung, Kultur und Gewerbe. Beim Ressort sei sie flexibel. Sie wolle eine «realistische und hartnäckige Stimme in Verhandlungen» sein. Dennoch laute ihr Motto «Miteinander geht es immer einfacher als gegeneinander».
Sie wollen erst einmal zuhören
«Und wie werden sie sich ins künftige Gremium einfügen?» «Respektvoll», so die spontane Antwort von Cécile Künzli. Wenn man respektvoll und wertschätzend miteinander umgehe, komme man immer durch. Sie wolle die Person sein, die zuhört. Sie sei offen und konstruktiv und verstehe sich als «Brückenbauerin». Ganz viel zuhören will auch Manuel Stoop und sich dafür 100 Tage im Amt geben. «Ich habe sicher meine Meinung, aber der Gesamtgemeinderat steht im Vordergrund», so Stoop. Es gehe darum, mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Dafür werde er sich mit «Vollgas und Herzblut» einsetzen. «Ich werde mich mit logischen und bodenständigen Argumenten einbringen», so Colleen Furrer. Als Augenoptikerin sehe sie nicht nur gut, sondern höre auch sehr gut zwischen den Tonlagen. Ihr gehe es darum Lösungen zu finden, die für alle stimmten. «Ich stelle mir das vor wie beim Kompanierapport, aber ohne Befehlston», witzelte Nina Haas, die einige Zeit beim Berufsmilitär war. Information und Kommunikation sind ihr besonders wichtig, nicht nur im Gremium, sondern auch nach aussen. «Ich bin eine wahnsinnige ‹Streberin›. So werde ich auch im Gemeinderat sein», sagte sie. Sie werde sich im Amt extrem vorbereiten. Neben ihrer Kommunikationsfähigkeit zeichne sie sich als Mensch mit Struktur aus. Und wo sehen die Kandidierenden Niederwil in vier Jahren?
Manuel Stoop hofft auf ein «wunderschönes Gemeindehaus» und eine Verbesserung der Verkehrs- und Schulwegsicherheit sowie ein intaktes Schulwesen. Colleen Furrer möchte darüber hinaus auf eine verstärkte Unterstützung und Ausbildungsplätze für die Jungen setzen. Schule, Sicherheit und Vereine pflegen möchte Nina Haas und hofft, dass in Niederwil weiterhin neue Projekte realisiert werden können. Cécile Künzli nannte die Schwerpunkte Bildung und Kultur und hofft auf zusätzliche Angebote für Jung und Alt: «Ich möchte, dass man sagen kann, wir haben Niederwil nicht nur verwaltet, sondern gestaltet», bilanzierte sie.
Wie die Finanzen im Griff behalten?
Benedikt Nüssli rechnete vor, dass laut Finanzplan 2028 bis 2030 die Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinde von rund 1000 auf 3433 Franken steigen werde. «Wo setzen Sie bei den Finanzen den Schwerpunkt?», so seine Frage. «Investitionen sind wichtig», betonte Nina Haas. Diese müssten aber genau geprüft werden. Angesichts hoher Gesundheitskosten könne man in diesem Bereich Zusammenschlüsse mit anderen Gemeinden prüfen. «Ich kann nichts versprechen, aber ich werde den Finger drauf haben», versprach sie. Erhöhungen des Steuerfusses seien das allerletzte Mittel. «An der Bildung darf man nicht sparen», betonte Cécile Künzli, selbst wenn diese die meisten Kosten verursache. Bildung sei ein Grundpfeiler der Gemeinschaft. Man dürfe eine Gemeinde nicht «totsparen». Auch ihr Vorschlag lautete Möglichkeiten für Synergien zu suchen. Für Manuel Stoop sind die geplanten Investitionen ebenfalls wichtig. Man dürfe nicht voll auf die Bremse stehen, sollte aber genau prüfen und jeden Franken zweimal umdrehen. Colleen Furrer wollte sich dazu nicht äussern.
Kultursaal bewegt die Gemeinde
Ein weiteres heisses Eisen: Das Referendum zum neuen Gemeindehaus und die Frage, ob der Kultursaal wie geplant im Dachgeschoss oder im Erdgeschoss untergebracht werden soll. Künzli sprach sich klar dafür aus, den Kultursaal im Dachgeschoss zu belassen. Sie hob die Wichtigkeit der Bibliothek als Begegnungsort hervor. Die Verlegung des Saals ins Erdgeschoss koste zusätzlich Geld, da diese ausgebaut werden müsste. Die Stimmbürger müssten aber letztlich entscheiden. Es müssten in jedem Fall Lösungen für die Vereine gefunden werden. Ein Dachgeschoss werde zu heiss, um dort Trompete oder Schlagzeug zu spielen argumentierte Furrer dagegen. Man müsse auf das Praktische schauen und das Volk entscheiden lassen. «Das ist Demokratie», sagte Haas zum Referendum. Man müsse die Vereine berücksichtigen und diese im Falle einer Ablehnung unterstützen. Stoop zeigte sich in diesem Punkt unentschieden.
Ebenso wie bei einem aktuellen Thema, das Benedikt Nüssli aufgriff: Sollte – wie im Kanton Zürich geplant – das Frühfranzösisch abgeschafft werden? Als schlechter Französischschüler zeigte Stoop Verständnis, erklärte aber, er wäre in seinem Beruf froh über bessere Französischkenntnisse. Französisch als Landessprache sei wichtig für die Schweiz. Es gelte diese Werte zu schützen. Ähnlich argumentierte Haas. Man lerne Sprachen überdies als Kind leichter. Sie möchte den Schülerinnen und Schülern die Wahl zwischen Französisch und Italienisch als zweiter Landessprache lassen. Künzli und Furrer würden es begrüssen, wenn Französisch später dazu käme, um ein mögliches «Kauderwelsch» zu vermeiden.
Kameras sind allerletztes Mittel
Videoüberwachung gegen Littering und Vandalismus sind auch in Niederwil ein Thema. Wie stehen die Kandidierenden dazu? «Ich finde Überwachung im öffentlichen Raum in Ordnung. Ich habe nichts zu verbergen», so Furrer. «Als letztes Mittel sinnvoll», findet auch Haas. Künzli ist grundsätzlich gegen Überwachung im öffentlichen Raum. Das Konzept der Gemeinde zur Verringerung von Kosten und Beschädigungen auf dem Schulareal überzeuge sie aber. Stoop sieht die Videoüberwachug auch als letztes Mittel, plädierte aber für einen Fokus auf Prävention. Am Ende konnte das Publikum Fragen stellen. Ex-Gemeindeammann Wädi Koch interessierte, warum die Kandidierenden für ihre Partei antreten. Stoop, der erst ein halbes Jahr Mitglied der Mitte ist, sagte, er finde sich in den Werten der Partei wieder. Haas erklärte, sie habe schon länger zur SVP gefunden. Kommunalpolitik habe für sie aber nicht viel mit einer Partei zu tun. Es komme auf den Menschen an, fand auch Furrer. Sie sei nie Mitglied einer Partei gewesen. «Ich bin ich und möchte meine eigene Meinung vertreten», fasste Künzli zusammen.
Michael Lux