Das «Mellinger Urteil» hallt nach. Das wohl bekannteste Zitat von Immanuel Kant (1724–1804) lautet: «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.» Ich möchte meinen ehemaligen Kollegen im Stadtrat nicht absprechen, es nicht versucht zu haben. Doch der ...
Das «Mellinger Urteil» hallt nach. Das wohl bekannteste Zitat von Immanuel Kant (1724–1804) lautet: «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.» Ich möchte meinen ehemaligen Kollegen im Stadtrat nicht absprechen, es nicht versucht zu haben. Doch der Mut hat gefehlt, meinem Antrag, die Kosten des Verfahrens im Rückzonungsverfahren gegen Thérèse Bächer-Hirt, das bekanntlich für Mellingen am Bundesgericht glimpflich ausging, ganz oder zumindest teilweise zu übernehmen. Mellingen ist haarscharf an einer Millionenpleite vorbei geschrammt. Es bedurfte schon dreier linker und grüner Richter, ein Urteil zu basteln, dem nach Ansicht weiter juristischer Kreise die rechtliche Grundlage fehlt. Es handelt sich um ein sogenanntes Billigkeitsurteil. Thérèse Bächer-Hirt nennt es ein «politisches Urteil». Damit hat sie natürlich recht. Genauso, wie sie zurecht gegen die Rückzonung von über 9000 Quadratmeter Land geklagt hat. Eine Rückzonung, die der Stadt Mellingen in der Folge rund zwei Millionen Franken in die Kassen gespült hat.
Dass Bächer-Hirt zurecht auf Entschädigung geklagt hat, geht aus dem Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichtes hervor, das Mellingen zur Entschädigung verknurrt hatte. Dem Stadtrat, dem ich damals angehört habe, blieb in der Verzweiflung nichts anderes übrig, als das Bundesgericht anzurufen. Im vollen Bewusstsein, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtes wasserdicht war. Ich war dabei, als die Lausanner Richter, zum Erstaunen sämtlicher Beobachter, ein Herz für Mellingen zeigten. Lotto! Sechs Richtige mit Zusatzzahl. Demgegenüber Thérèse Bächer-Hirt: für sie war es ein Albtraumurteil. Für sie bestätigt sich wieder einmal: «Recht haben und Recht bekommen, das sind zwei verschiedene Dinge.»
Ich war mit Thérèse Bächer-Hirt lange im Gespräch, und wollte für die Nutzung ihrer wertvollen Liegenschaft an der Lenzburgerstrasse und am Tägerigerweg, einen Plan für die Zukunft entwickeln, der für die Gemeinschaft von grossem Nutzen geworden wäre. Doch dazu hätte es etwas Mut gebraucht. Einen Schritt auf sie zu, der meines Erachtens Unrecht widerfahren ist. Der Stadtrat wollte nicht. Nun wird auch die Grundeigentümerin nicht mehr wollen. Sehr zum Leidwesen zukünftiger Generationen. Und das wegen einiger lumpiger 10 000 Franken, nachdem man Millionen eingesackt hatte.
Beat Gomes, ehemaliger Stadtrat von Mellingen, in Brasilien