«Die in Bern haben keine Ahnung, was wir hier an der Front machen»
16.09.2025 Sport, FussballDer FC Tägerig-Präsident Roger Frei über fehlende Juniorentrainer und die abgewendeten J&S-Kürzungen
Gute Juniorentrainer sind Mangelware, nicht nur beim FC Tägerig. Die im Juni angedrohten J&S-Kürzungen wären im höchsten Mass ...
Der FC Tägerig-Präsident Roger Frei über fehlende Juniorentrainer und die abgewendeten J&S-Kürzungen
Gute Juniorentrainer sind Mangelware, nicht nur beim FC Tägerig. Die im Juni angedrohten J&S-Kürzungen wären im höchsten Mass kontraproduktiv gewesen.
◆ Roger Frei, Sie haben mit Ihrem Sohn und dem Junioren-Obmann zusammen die Fb-Junioren übernommen – «notgedrungen», wie es hiess.
Wir haben schlicht zu wenige Juniorentrainer und sind nach wie vor auf der Suche nach guten Leuten.
◆ Was macht einen guten Juniorentrainer aus?
In der heutigen Zeit ist Sozialkompetenz das Wichtigste. Natürlich hilft es, wenn er ein bisschen Ahnung von Fussball hat. Das merkt man einfach nachher. Aber die Sozialkompetenz ist das Wichtigste. Wir beim FC Tägerig möchten Trainer, die vorleben, was wir verlangen – oder was eigentlich alle verlangen: dass man anständig miteinander umgeht. So, wie der Trainer ist, ist nachher die Mannschaft.
◆ Wie findet man solche Leute?
Das ist eben nicht ganz einfach. Sicher sprechen wir die, bei denen wir das Gefühl haben, sie seien fähig, direkt an. Vielfach ist es bei uns im Amateurbereich so, dass es Väter sind, die Kinder im FC haben. Das hat natürlich Vor- und Nachteile: Manche sind zu den eigenen Kindern zu grosszügig, andere behandeln sie eher strenger. Ich weiss von mir selbst, dass ich meine eigenen Söhne eher strenger behandelt habe. Den eigenen Sohn trainieren kann gut gehen, bis der Junge 14 ist, oder bis er 20 ist. Da kommt es auf den Charakter der Kinder an, und auf den des Vaters.
◆ Es heisst oft, die jungen Leute von heute engagierten sich weniger.
Bei uns geht es ja generell um Fronarbeit. Ich glaube schon, dass Kinder, die in einer Familie aufgewachsen sind, wo es selbstverständlich ist, dass man sich engagiert, sich eher selber auch engagieren. Man kann das natürlich nicht verallgemeinern, aber wir merken diese Tendenz, auch im Hinblick auf langfristiges, verpflichtendes Engagement. Wir haben also zwei Probleme: Es ist schwieriger geworden, Junioren-Trainer zu finden. Und es ist noch schwieriger geworden, gute Junioren-Trainer zu finden.
◆ Da wären die angekündigten Kürzungen der J&S-Beiträge völlig zur Unzeit gekommen.
Die in Bern oben haben einfach keine Ahnung davon, was wir hier an der Basis für Arbeit leisten. Es geht ja längst nicht mehr «nur» um Fussball: Es geht um eine Lebensschule und je länger desto mehr auch um Integration. Wir haben Zuwanderung, das ist so. Und der Sport ist einer der besten Orte für Integration. Man lernt die Sprache, die Spielregeln, findet neue Freunde. Deshalb ist ja gerade heute die Sozialkompetenz der Juniorentrainer so wichtig: Der Trainer ist ein Vorbild, und zwar nicht nur, wenn es um Fussballtechnik geht.
◆ Was helfen Ihnen die J&S-Beiträge konkret?
Wir bekommen pro Training für jeden Junior einen gewissen Betrag, wenn der Juniorentrainer das J&S-Diplom hat. Nun ist es nicht so, dass unsere Trainer einen Lohn bekommen – wir bezahlen ihnen Spesen, damit sie nicht dafür, dass sie uns ihre Zeit schenken, noch das Benzin für die Anreise zahlen müssen. Ich kenne aber manchen Juniorentrainer, der der Mannschaft nach dem Match noch einen Hotdog spendiert – der gibt dann unterm Strich mehr aus, als wir ihm geben können.
◆ Und ohne diese Beiträge?
Dann hätten wir es zum einen noch schwieriger, brauchbare Juniorentrainer zu finden. Und zum anderen müssten wir wohl die Mitgliederbeiträge erhöhen. Fussball ist ein vergleichsweise günstiger Sport, den sich gerade auch sozial Schwächere leisten können, im Gegensatz zu Tennis oder Reiten. Es wäre in meinen Augen schade, wenn es in Zukunft hier in der Gegend Familien gäbe, die ihre Kids nicht mehr in den Fussballclub schicken könnten.
◆ Angenommen, Sie hätten einen Wunsch frei für die Zukunft des Juniorenfussballs: Was würden Sie sich wünschen?
Uns würde ein Kunstrasenplatz für unser Trainingsgelände enorm helfen. Wir kommen in Sachen Infrastruktur an unsere Grenzen. Im Moment haben wir 230 Junioren. Den Gedanken, Mädchen-Mannschaften zu gründen, können wir gleich vergessen, wir haben schlicht zu wenig Plätze. Zum Glück machen da Niederwil und Fislisbach einen guten Job. Aber es kann doch nicht sein, dass gerade in Zeiten, in denen ein niederschwelliges Sportangebot so wichtig wäre, der Bund signalisiert, dass das überhaupt nichts wert ist. Andere Länder wie Portugal, Spanien oder auch Deutschland sind da völlig anders aufgestellt. Und ausgerechnet die Schweiz kam auf die Idee, bei Jugend und Sport zu sparen …
Susanne Loacker
J&S-Kürzungen: Widerstand hat Erfolg
J&S ist seit über 50 Jahren das grösste Sportförderprogramm des Bundes und gilt weltweit als einzigartig. Allein 2024 wurden 680 000 Kinder und Jugendliche erreicht. Gleichzeitig ist der jährliche Kredit von 115 Millionen Franken voll ausgeschöpft. Ab 2026 plante der Bund eine Kürzung der Subventionen um 20 Prozent. Für den Kanton Aargau hätte dies eine Kürzung von insgesamt 1,73 Millionen Franken bedeutet – zulasten von rund 60 000 Kindern und Jugendlichen. Es formierte sich Widerstand, Unterschriften wurden gesammelt und Petitionen eingereicht. Am Samstag vermeldeten die CH-Media-Publikationen nun Good News: Am Freitag hatte der Bundesrat offenbar ein Einsehen. Er entschied, den aktuellen Kredit von 115 Millionen Franken für das Jahr 2025 um 20 Millionen Franken und für 2026 um 28 Millionen Franken zu erhöhen. Damit müssen die J&S-Beiträge an Sportvereine und Verbände nicht gesenkt werden. (sl)