Die «klebrigste» Steuer der Schweiz sicher nicht abschaffen
19.09.2025 LeserbriefeAntwort auf den Leserbrief von Hanspeter Koch im «Reussbote» vom 9. September
Heute muss ich Hanspeter Koch bezüglich Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwerts freundlich und bestimmt widersprechen. Ich fühle mich dazu berechtigt, weil auch ich zwei Mal zu den ...
Antwort auf den Leserbrief von Hanspeter Koch im «Reussbote» vom 9. September
Heute muss ich Hanspeter Koch bezüglich Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwerts freundlich und bestimmt widersprechen. Ich fühle mich dazu berechtigt, weil auch ich zwei Mal zu den Eigenheimbesitzenden gehörte. Natürlich empfand auch ich diese Steuer als lästig, aber nie als ungerecht. Und ich wusste ja vor dem Erwerb der Liegenschaften, dass diese Steuern anfallen werden. Aber ich fühlte mich als Hausbesitzer trotzdem privilegiert.
Wenn die circa 64 Prozent Mietenden (im Parlament sind es natürlich bloss noch 20 Prozent) nicht jährlich rund 10 Milliarden (!) zu viel an Mieten entrichten müssten, weil die Kontrolle über bereits bestehende Gesetze bezüglich Missbrauch fehlt, würde ich gern darüber diskutieren.
Was könnte wohl der Grund sein dafür, dass die Hauseigentümerlobby, allen voran der Hauseigentümerverband HEV die rekordverdächtige Summe von 7 Millionen in diesen Abstimmungskampf investiert? Weil sie sich sooo viele Sorgen macht um die wenigen (vor allem älteren) Hausbesitzer, welche finanzielle Probleme haben wegen dieser Steuer? Und für die bereits Härtefallregelungen bestehen? Es ist eben ambivalent. Steuersystematisch ist der Eigenmietwert völlig korrekt. Da ist sich die Wissenschaft einig. Es geht hier um ein Nutzwerteinkommen – also um ein Naturaleinkommen. Genauso, wie wenn jemand in der Gastronomie Kost und Logis hat. Dies wird bei der Steuererklärung als Einkommen berücksichtigt, obwohl kein Geld fliesst. Und dasselbe geschieht mit dem Nutzen des Wohnens im Eigenheim. Das muss man ebenso versteuern wie eine Aktienbesitzerin ihre Dividendenerträge.
Es ist eben ein Naturaleinkommen. Man steckt sein Geld in Wohneigentum, und das Einkommen auf dieser Investition ist keine Dividende oder ein Zins, dafür «Wohnen». Das Gerede von fiktivem Einkommen ist Blödsinn. Dafür darf man die Gestehungskosten dieser Investition abziehen, also Hypothekarzinsen sowie die Unterhaltsund Renovationskosten. Das ist alles korrekt, sofern man die Immobilien als Anlagekategorie betrachtet. Die Immobilien sind zum Anlageuniversum geworden. Man nennt die Liegenschaften sogar offiziell «Renditeobjekte». Und es kann nicht genug Rendite sein. Die Wohneigentümer konnten in den letzten 15 Jahren ihre Kosten wegen der tiefen Zinsen halbieren. Gleichzeitig haben sich die Mieten verdoppelt, obwohl sie hätten massiv sinken sollen. So, dass die Mietenden heute über 10 Milliarden Franken zu viel Miete bezahlen, was ein volkswirtschaftlicher Super-GAU ist. Alle Vorschläge, diesen Rendite-Irrsinn zu stoppen, wurden abgelehnt: die periodische Überprüfung der Renditen, die Verschärfung der Lex Koller, die Unterstellung der Immobilien unter das Geldwäschereigesetz sowie die Bekanntgabe des Vormietzinses, damit Neumieter überhaupt eine Chance haben, die Miete anzufechten. Und vieles andere.
Viele Kantone warnen und prognostizieren schon jetzt, um wie viele Prozente bei ihnen die Staatssteuern erhöht werden müssten. Ebenso ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu befürchten. Und wen trifft das am härtesten? Bestimmt nicht die reichen, rechtsbürgerlichen Befürworter.
Urs Weber, Scheunengasse, Mellingen
