«Ich will um die Medaillen kämpfen!»
28.03.2025 SportKarate: Nico Sparer (21) aus Niederrohrdorf hat sich für die Europameisterschaften vom 7. bis 11. Mai in Erewan (Armenien) qualifiziert
Für Nico Sparer geht ein Traum in Erfüllung. Nächste Woche steht er in der armenischen Hauptstadt für die Schweiz an der ...
Karate: Nico Sparer (21) aus Niederrohrdorf hat sich für die Europameisterschaften vom 7. bis 11. Mai in Erewan (Armenien) qualifiziert
Für Nico Sparer geht ein Traum in Erfüllung. Nächste Woche steht er in der armenischen Hauptstadt für die Schweiz an der Karate-EM am Start. Der 21-jährige Karateka hat eine klare Vision. Wenn er schon an den Start geht, dann will er auch um eine Medaille kämpfen. Der «Reussbote» hat Sparer bei einem nicht alltäglichen Training besucht.
Nico Sparer ist ein ruhiger, eher zurückhaltend wirkender junger Mann. Grosse Töne sind nicht seine Sache. Er lässt lieber Taten sprechen. So war er denn auch eher skeptisch, als ihn der Chronist vom «Reussbote» ansprach, und um ein Interview bat. Er müsse sich das erst mal überlegen, war seine Antwort. Es dauerte, brauchte einen zweiten und dritten Anlauf. Schliesslich sagte der Absolvent des Sport-Gymnasiums in Aarau zu. Aber nicht bevor er sich definitiv für die Europa-Meisterschaft qualifiziert hatte.
Schliesslich kam es an einem Samstagmorgen im März zu einem Treffen im Dojo der Karateschule Arena in Mellingen. Dojo bezeichnet in der Sprache der japanischen Kampfkünste einen Trainingsraum. Hier hat sich Klein Nico bei Sensei Salvatore Arena (siehe Box) in die Kunst des Karate einweisen lassen. Angefangen hat seine Reise im Alter von sieben Jahren. Mittlerweile ist er mehrfacher Schweizermeister und Gewinner von zahlreichen Medaillen an internationalen Turnieren. Sein bestes Resultat erzielte er an der letztjährigen Junioren-Europa-Meisterschaft, wo er im Kampf um Bronze knapp unterlag. Nico schätzt die enge und vertrauensvolle Beziehung, die er bis heute zum aktuellen Leiter der Karateschule Arena Mellingen, Sensei Giovanni Arena (Sohn von Salvatore Arena), pflegt. Zur Vorbereitung auf die EM darf er einmal pro Woche das Dojo für Sparring mit einem Trainingspartner nutzen. Zudem übernimmt er gelegentlich die Leitung eines Trainings.
Für diesen Samstag hat sich Nico Sparer etwas Besonderes einfallen lassen. Er beschäftigt sich gerne mit der Analyse seiner Kämpfe und lässt sich von den Kämpfen von Weltspitzen-Athleten inspirieren. So kam er auch auf die Idee, dass er sich durch die Verfeinerung seiner Wurftechniken einen Vorteil verschaffen könnte. Deshalb hat er seinen Kumpel, den Spitzen-Judoka Nico Wüthrich aus Strengelbach eingeladen, um ihm einige Techniken und Würfe beizubringen und zu trainieren. Die beiden kennen sich aus der gemeinsamen Zeit aus dem Sportgymnasium in Aarau.
Karate mit Judo-Elementen
Karate fokussiert sich hauptsächlich auf Schlag-, Tritt- und Blocktechniken, während Judo mehr auf Würfe, Haltegriffe und Bodenkampf spezialisiert ist. Dennoch sind auch im Karate bestimmte Wurftechniken erlaubt und können im Wettkampf wertvolle Punkte einbringen, wenn der Wurf direkt mit einer effektiven Schlagtechnik abgeschlossen wird. Nico Wüthrich ist ein geduldiger und zäher Lehrer. Er zeigt seinem Namensvetter einige Techniken und Würfe. Erst langsam, dann immer schneller und geschmeidiger. Nico Sparer lernt schnell. Er gibt sich nicht mit halben Sachen ab. Wüthrich, der sich als Trainingspartner und «Wurfkörper» zur Verfügung stellt, konnte dem Betrachter beinahe leidtun. Denn Sparer, der 1.86 grosse Modellathlet aus Niederrohrdorf, warf den wesentlich kleineren und mit 60 Kilo deutlich leichteren Sparringpartner immer und immer wieder auf die Matte. Und die ist im Dojo in Mellingen nicht auf Judo ausgerichtet. Deshalb muss Wüthrich richtig einstecken. Der nimmt es mit stoischer Gelassenheit. Rund 75 Minuten geht das so, ohne dass die beiden durchtrainierten Spitzensportler auch nur einen Schweisstropfen vergiessen. Dabei wird dem Chronisten schon beim Zusehen heiss auf der Stirn.
Fokus ganz auf die EM in Erewan
Für Nico Sparer ist dieses Jahr, nach Abschluss des Sportgymnasiums, ein Zwischenjahr. Das geplante Jus-Studium kann warten. Das wird er Anfang September beginnen. Nebenbei arbeitet er in einem 40-Prozent-Pensum für eine kleine Firma, die Inkassodienstleistungen anbietet. Sonst ist der Fokus ganz auf das grosse Ziel in Erewan ausgerichtet.
Für Sparer gehört nicht nur das Einhalten des Trainingsplans zu einer guten Turniervorbereitung, er ist ein Fan von innovativen Methoden. Dazu gehört zum Beispiel, dass er zum Sammeln von Wettkampferfahrungen, als einziger Schweizer und ohne Betreuer an Turnieren im Ausland teilnimmt. So besteigt Nico Sparer zum Beispiel spontan an einem Freitagabend um zehn in Baden den Zug, um über Nacht nach Bochum zu fahren, wo am Samstag ein Turnier steigt, an dem Athleten verschiedener Länder teilnehmen. Nur, um am Abend nach dem Turnier (das er übrigens auch gewann) wieder mit dem Zug nach Hause zu fahren. So ist er kürzlich auch nach Marseille aufgebrochen, um sich mit starker internationaler Konkurrenz zu messen.
Training bei zwei Karate-Ikonen
Nico Sparer fährt seit seinem 13. Lebensjahr nach Basel zum wettkampfmässigen Training. «In Mellingen habe ich die Grundlagen und die Philosophie erlernt», sagt er. «In Basel, im ‹Hayabusa Karate Do› (benannt nach dem japanischen Wanderfalken, dem schnellsten Tier der Welt) wird der Fokus auf Spitzensport und Wettkampf gelegt.» Beide Dojos sind Teil des sehr erfolgreichen, aber auch familiären Karateverbandes SSKF unter der Leitung von Sensei Zübeyir Sahin. In Basel wird Sparer zum einen vom ehemaligen Schweizer Spitzenathleten Murat Sahin und zum anderen von der Karate-Ikone Bahattin Kandaz (Vizeweltmeister- und Vizeeuropameister, sowie ehemaliger Nationaltrainer von Aserbeidschan) trainiert.
Die Philosophie eines japanischen Karatemeisters geht weit über das blosse Erlernen von Techniken und Kampffähigkeiten hinaus. Sie basiert auf tief verwurzelten Werten und Prinzipien, die Körper, Geist und Seele verbinden. Achtsamkeit, Respekt und Bescheidenheit sind typische Attribute für einen guten Karateka. Karate wird oft als ein lebenslanger Weg des Lernens und der Selbstverbesserung betrachtet. Es geht nicht nur um den Kampf, sondern darum, den eigenen Charakter zu formen und Disziplin, Geduld und Respekt zu entwickeln.
Allerdings braucht es im Wettkampf auch eine gehörige Portion Entschlossenheit. Nico Sparer zeichnet sich im Kampf nicht so sehr durch Aggressivität aus. Vielmehr mag er es, seine Gegner mit taktischem Geschick und Finten zu überraschen. Darum feilt er unter anderem an neuen Judo-Techniken.
Unterwegs in Osteuropa
Während sie diese Zeilen lesen, ist Nico Sparer wahrscheinlich bereits unterwegs in den Osten Europas. Er hat geplant, eine Woche vor der EM in die georgische Hauptstadt Tiflis zu fliegen, um sich im Training mit einheimischen Top-Karatekas den letzten Schliff auf das grosse Ziel zu holen. Nico Sparer hofft auf ein wenig Losglück. Denn das gehört auch dazu, wenn man sich an einem Anlass mit solch hochkarätiger Besetzung durchsetzen will.
Beat Gomes
Sensei Salvatore Arena
Sensei, ausgesprochen sen-say, ist in seiner grundlegendsten Bedeutung ein allumfassendes japanisches Wort für einen Lehrer. Dies gilt für Lehrer von der Grundschule bis hin zu Universitätsprofessoren. Es schliesst auch Lehrer wie Tanzlehrer und Ausbilder in einem Karate-Dojo oder einer Kampfsportschule ein. Salvatore Arena ist der Begründer des nach ihm benannten Fitnesscenters mit angegliederter Karateschule in Mellingen. Salvatore Arena verstarb im Alter von 77 Jahren am 1. April 2021 an den Folgen einer Corona-Erkrankung. Er hat Tausende von Kindern in den Karatesport eingeführt und zahlreiche Spitzenathleten geformt.