Kinder, Medien und Smartphone: Balance im digitalen Zeitalter
21.02.2025 Gesundheit, Serie im ReussboteBeratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
Frage von Sabrina: «Wir streiten uns ständig mit ...
Beratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
Frage von Sabrina: «Wir streiten uns ständig mit unserem 9-jährigen Sohn. Er will kaum noch etwas anderes als «gamen». Auch unsere Tochter Lisa könnte stundenlang vor dem Fernseher sitzen. Wollen wir die Medien abschalten, wird lautstark gemotzt. Wie sollen wir mit dem Medienkonsum umgehen und welche Richtlinien sind sinnvoll?»
Liebe Sabrina, der Umgang mit Medien ist heute ein enorm wichtiges Thema. Viele Eltern stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Der Umgang mit Medien muss gelernt und geübt werden. Das geschieht vor allem durch das Vorbild der Eltern. Wir Erwachsenen sollten unseren eigenen Medienkonsum regelmässig selbst hinterfragen, denn nur so können wir unseren Kindern einen gesunden Umgang mit Medien vermitteln. Kinder lernen den Umgang mit Medien nicht von alleine, sie brauchen unsere Unterstützung, aber auch unsere Grenzen. Im Wesentlichen sind es drei Faktoren, die gelernt werden müssen. Das sind die Dauer, die kindgerechten Inhalte und die Reflexion des Gesehenen.
Medien brauchen einen achtsamen Umgang
Viele Kinder verbringen heute Stunden vor dem Fernseher, Smartphone oder Computer. Besonders problematisch ist, dass Medieninhalte Suchtpotenzial haben und oft Gewalt und übertriebene Realitätsdarstellungen enthalten, die die Wahrnehmung der Kinder verzerren und echte Emotionen ersetzen können. Zudem geht wertvolle Zeit verloren, die anders genutzt werden könnte - zum Lernen, Bewegen, Spielen, Lesen oder kreativen Gestalten.
Das erste Handy
Kinder lernen Smartphones kennen, weil ihre Eltern eines benutzen. Sind wir gute Vorbilder, nutzen wir in den frühen Kinderjahren unsere Smartphones hauptsächlich dann, wenn das Kind nicht dabei ist. Die Beziehung zum Kind kann auch schon leiden, wenn das Kind im Kinderwagen liegt und die Bezugsperson ständig mit dem Telefon beschäftigt ist. Kinder sollten frühestens in der Oberstufe ein eigenes Telefon mit eingeschränktem Internetzugang erhalten. Je nach Reife können sie dann nach und nach selbstständig damit Erfahrungen sammeln. Vorbild sein! Wenn dein Kind dich ständig am Handy oder vor dem Fernseher sieht, wird es wahrscheinlich das gleiche Verhalten nachahmen.
Empfehlungen nach Altersstufen
Kinder unter 3 Jahren sollten Bildschirmmedien möglichst ganz meiden. In diesem Alter benötigen sie vor allem Bewegung und reale Sinneserfahrungen. Ab 3 Jahren kann eine Bildschirmzeit von maximal 30 Minuten pro Tag sinnvoll sein, wobei Eltern die Inhalte begleiten sollten. Für Primarschulkinder (6 bis 10 Jahre) sind etwa 30 bis 60 Minuten pro Tag angemessen. Ab 10 Jahren kann der Konsum auf 60 bis 90 Minuten ausgeweitet werden, während Jugendliche ab 12 Jahren durchaus bis zu 120 Minuten täglich konsumieren dürfen – vorausgesetzt, Pausen und andere Aktivitäten sind ebenfalls Teil des Tagesablaufs. Auch regelmässige medienfreie Tage sind förderlich.
Hypnotische Wirkung
Wenn Kinder längere Zeit vor dem Bildschirm verbringen, geraten sie oft in einen fast hypnotischen Zustand. Vor allem jüngere Kinder können sich nur schwer vom Bildschirm lösen. Es besteht ein echtes Suchtpotenzial, da die Inhalte so gestaltet sind, dass die Aufmerksamkeit maximiert und das «Belohnungshormon» Dopamin ausgeschüttet wird, welches mit angenehmen Gefühlen verbunden ist. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, die Geräte rechtzeitig auszuschalten und feste Regeln aufzustellen. Kinder sollten früh lernen, dass digitale Geräte nicht unbegrenzt genutzt werden können. Eine Regel könnte sein: Kein Smartphone beim gemeinsamen Kochen/Essen/Aufräumen. Lernen ohne Handyempfang. Ab 19.00 Uhr werden alle Handys in einem Korb gesammelt. So bleibt vor dem Schlafengehen genügend Zeit zum Lesen. Dann fällt auch das Einschlafen leichter.
Weniger ist mehr
Es ist wichtig, klare Zeitvorgaben zu machen und gemeinsam mit dem Kind geeignete Apps, Sendungen, Nachrichten, Spiele usw. auszuwählen. Ein gemeinsamer Filmabend am Wochenende etwa, kann eine schöne Alternative sein. Zusammen einen Film anzuschauen – und nachher darüber zu reden – stärkt die Beziehung mehr, als wenn jeder sein eigenes Programm anschaut. Vermeide einen Fernseher im Kinderzimmer. Auch eine Ladestation gehört nicht ins Kinderzimmer. Ein eigener Computer im Zimmer braucht es erst ab der Oberstufe, um Hausaufgaben damit zu erledigen. Aber auch hier gilt: Kontrolliere regelmässig, was dein Kind am Computer macht.
Computerspiele und Gaming
Besonders bei Jungs sind Videospiele beliebt. Wenn du das Gefühl hast, dass dein Sohn übermässig viel spielt und danach aufgebracht ist oder sich apathisch verhält, solltest du aktiv werden. Spiele auch einmal mit ihm zusammen, interessiere dich dafür. Sprich über die Games, die er spielt, und achte darauf, dass sie altersgerecht sind. Spiele, die gewaltverherrlichend oder überfordernd sind, können problematisch sein. Reflektiert beim Mittagessen oder in Pausen immer wieder einmal, was gesehen und im Spiel gelernt wurde und was für Erfahrungen im richtigen Leben damit zusammenhängen.
Kreativität statt Konsum
Kinder, die weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen, sind oft kreativer und motivierter. Sie lernen, sich besser zu konzentrieren, sind aktiver und entwickeln eine höhere Frustrationstoleranz. Ausserdem nehmen sie aktiver am Familienleben teil. Schülerinnen und Schüler mit kontrolliertem Medienkonsum zeigen auch eine konzentriertere Arbeitshaltung und oft ein gesünderes Sozialverhalten in der Schule als solche mit hohem Medienkonsum. Es lohnt sich also, die Medienzeit zu begrenzen. Nicht mit Verboten, sondern mit Vereinbarungen.
Kindersicherung
Ein gesunder Medienkonsum berücksichtigt sowohl das Alter als auch die individuellen Bedürfnisse des Kindes. Mit klaren Regeln, positiver Begleitung und einem ausgewogenen Verhältnis zwischen digitalen Medien und «analogen Aktivitäten» können die Vorteile moderner Technologien genutzt werden, ohne die Entwicklung des Kindes zu gefährden. Wenn Kinder den Computer alleine nutzen, ist eine Kindersicherung sinnvoll, um schädliche Seiten auszublenden.
Euer Weg zur Balance
Besonders bei Pubertierenden kann es sinnvoll sein, die Mediennutzung mit einem Motivationssystem zu verknüpfen. Eine Möglichkeit ist, dass sich die Kinder ihre Medienzeit durch gutes Benehmen oder Hilfsbereitschaft «verdienen». Das folgende System könnte hilfreich sein und hat sich bei Kindern bewährt, die wenig Lust haben, nach draussen zu gehen: Ein Viertel der Zeit, die sie draussen verbringen, wird ihnen als Medienzeit gutgeschrieben. So wird Bewegung an der frischen Luft mit Medienzeit kombiniert. Wichtig ist, dass die Belohnung als Motivation dient und so zu einem gesunden Medienumgang führt. Die Balance zwischen analogen und digitalen Aktivitäten soll gefördert werden. So kann der Medienkonsum langfristig in gesunde Bahnen gelenkt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Umgang mit Medien in der Erziehung eine spannende, aber auch herausfordernde Aufgabe ist. Mit klaren Regeln, einem positiven Vorbild und einer ausgewogenen Herangehensweise können wir unsere Kinder dabei unterstützen, die Welt der digitalen Medien bewusst und verantwortungsvoll zu erleben. Dabei geht es nicht nur darum, den Konsum zu kontrollieren, sondern auch darum, eine Balance zu finden, die Raum für Bewegung, Kreativität und soziale Interaktion lässt. Findet gemeinsam den Weg, der zu euch passt – und achte darauf, dass die Mediennutzung nicht das reale Leben verdrängt. Mit Geduld und Verständnis wird es gelingen, einen gesunden Umgang mit Medien zu fördern, der sowohl die Entwicklung als auch das Familienleben stärkt. Viel Erfolg auf diesem gemeinsamen Weg!
Eure Erziehungsberaterin Iris Selby
Weitere Fragen erreichen mich per E-Mail: mail@irisselby.ch
Iris Selby
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