Entgegnung zum Leserbrief «Konstruktiv ...?», Ausgabe vom 20. Juni

Lieber Herr Walder, ein bisschen schmunzeln muss ich schon, wenn Sie der Meinung sind, dass man in der Schweiz nicht mehr alles sagen und schreiben darf, was man denkt. In unserer (noch) tollen Schweiz dürfen Sie alles sagen und schreiben, solange es nicht gegen ein Gesetz verstösst, zum Beispiel wegen Rassendiskriminierung. Und warum lanciert oder unterstützt die SVP zuerst eine No Billag-, dann die SRG-Halbierungsinitiative? Weil sie eine unabhängige, ausgewogene Berichterstattung zu unterdrücken versucht, wie wir das aus China, Russland, Ungarn und der Türkei kennen. Gerade deswegen habe ich grosse Mühe mit dieser extrem rechts politisierenden Partei. So wie vermutlich eine Mehrheit der Insassen in unseren Gefängnissen keinen Schweizer Pass haben, (ob das in der forensischen Abteilung in der Rheinau auch so ist, müsste man überprüfen), so sind eine Mehrheit der Politiker, (und so gut wie nie Politikerinnen!), die wegen Rassendiskriminierung und Hetze mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, Mitglieder der SVP. Es ist genau diese Art zu politisieren, wie sie vor 90 Jahren in unserem nördlichen Nachbarland zu beobachten war. Dort waren es die Juden, welche «die Brunnen vergiftet haben», und dann die Bolschewiken, bei uns heute sind es «die Migrantinnen und Migranten», die an allem Schuld sind. Mit solchen allgemeinen Verunglimpfungen lassen sich Wählerstimmen generieren und bestens ablenken von den eigenen Unzulänglichkeiten. Deshalb halte ich es lieber mit dem römischen Dichter Ovid der meinte: «Wehret den Anfängen!» Herr Walder, sind es nicht die reaktionären Parteien, welche die Medienvielfalt, die Pressefreiheit und unsere Demokratie zu untergraben versuchen?

Urs Weber, Scheunengasse, Mellingen