Musik als Lebenselixier: Die Passion
15.11.2024 Fislisbach, Region ReusstalLebensfreude im Alterszentrum: Jean Ann Vollenweider (85) erzählt von ihrem Alltag und ihrem reich erfüllten Leben, das sie führen durfte.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist das Alterszentrum «am Buechberg» das Zuhause der ...
Lebensfreude im Alterszentrum: Jean Ann Vollenweider (85) erzählt von ihrem Alltag und ihrem reich erfüllten Leben, das sie führen durfte.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist das Alterszentrum «am Buechberg» das Zuhause der 85-jährigen Jean Ann Vollenweider. «Ich fühle mich wohl hier», erzählt die Seniorin an diesem Novembernachmittag in der hauseigenen Cafeteria. Das Alterszentrum biete die unterschiedlichsten Aktivitäten an, berichtet Vollenweider, und sie nimmt gerne, solange es die Gesundheit zulasse, an diesen teil. Vor ein paar Tagen war Basteln angesagt und Vollenweider kommt ins Schwärmen. Sie habe wunderschönste Weihnachtskugeln aus Filz hergestellt. Die Vorträge zu den spannendsten Themen besuche sie ebenfalls regelmässig. Mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern hat Vollenweider ein gutes Einvernehmen. «Ich kenne praktisch alle hier und wir finden immer Zeit uns kurz zu winken oder vielleicht reicht’s sogar für einen kleinen Schwatz.» Es gebe da diesen einen Mitbewohner, der sie immer besonders nett grüsse. Kein Wunder. Jean Ann Vollenweider ist äusserst gepflegt, stets schön angezogen und kommt adrett und elegant daher. «Ins Alterszentrum habe ich lediglich einen Viertel all meiner Kleidungsstücke mitgenommen. Drei Viertel Kleider sind noch immer in unserem Einfamilienhaus in Fislisbach gelagert. Dieses bewohnt mein Sohn René inzwischen.»
Musik als Glückselixir und Lebensinhalt
Sehr erfreut sei sie jeweils, wenn der Fislisbacher Männerchor oder die Kindergartenkinder vorbeischauen und ihre Lieder und Kompositionen vortragen. «Da blühe ich auf», verrät sie. Musik, das sei ihr Glückselixir und ihr Lebensinhalt. «Ich verrate ein Geheimnis», flüstert die betagte Dame, und auf einmal spricht sie in englischer Sprache, redegewandt und fliessend. «Wenn es abends eingedunkelt und es langsam ruhig wird im Alterszentrum und viele bereits schlafen, fahre ich in den Parterrebereich in die Durchgangsverbindung von Haus A zu Haus B und setze mich hinter’s Klavier und spiele. Das ist meine Welt».
Seit einem Weilchen plagen Vollenweider lästige Schmerzen. Am Rücken und auch an den Schultern. Sie leide unter anderem unter «Small-Fiber-Neuropathie». Das ist auch der Grund, weshalb die sonst rüstige Frau nun auch im Rollstuhl unterwegs ist. Am Handgelenk trägt sie eine Notfalluhr, die sie jederzeit sofort betätigen kann, denn nachdem sie zweimal unglücklich gestürzt sei, gebe ihr diese wieder etwas Vertrauen und Sicherheit. Sie kennt sich aus mit Schmerzen und einem gesundheitlich beeinträchtigten Leben. Über einen langen Zeitraum begleitete und betreute sie ihren Ehemann Walter, welcher inzwischen verstorben ist.
Eine einzigartige Stimme
Geboren wurde Jean Ann Kingdom, so war ihr lediger Name, in der Millionenmetropole Mumbai in Indien. Sie verbrachte ihre Kinder- sowie Jugendjahre in einer kultivierten Familie und schrieb sich später an der Universität ein. Schnell war klar, dass Musik einen wichtigen Teil in ihrem Leben einnimmt, denn ihre Eltern waren äusserst musikalisch und waren ein wichtiges Vorbild für sie. So erstaunt es auch nicht, dass Jean Ann mit zarten 17 Jahren nach England übersiedelte und dort an der renommierten und herausragenden Musikuniversität «Trinity College London» die Professur für Gesang und Klavier erwarb. In Folge war die musikalisch ambitionierte Frau während Jahren erfolgreich als Solistin mit verschiedenen Chören auf Tour. Unter anderem auch während einigen Jahren mit dem UNO-Chor. Ihre einzigartige Stimme überzeugte und sie lief zu Hochform auf bei Stücken von Bach, Schumann, Schubert sowie Strauss, wobei Schumann ihr absoluter Lieblingskomponist sei, weil er so wunderschöne Stücke für Gesang geschrieben habe. Vollenweider ist überzeugt, dass Musik alles heilen kann. «Musik ist wie Medizin.»
Auch dank der Musik fand die ledige Jean Ann die Liebe ihres Lebens. Sie war an einer Dinnerparty in das legendäre «Grand Hotel» Mumbai eingeladen und lernte dort Walter Vollenweider kennen. Dieser war der verantwortliche Catering-Manager bei der Flugflotte Swissair. Es war ausgerechnet am 1. August. Nachdem die beiden später heirateten und ihr Sohn René geboren wurde, zog die junge Familie, aufgrund der beruflichen Anstellung Walters, im Jahr 1970 nach Fislisbach. Auch in der Schweiz hat Musik nach wie vor einen hohen Stellenwert. Sie erteilt Kindern Musikunterricht und leitet über einen längeren Zeitraum einen Kinderchor. Sie selber singt ebenfalls an Veranstaltungen und Anlässen.
Auch Kunst hat einen grossen Stellenwert
Jean Ann Vollenweider zeigt mit grossem Stolz ihr Zimmer, welches sie achtsam eingerichtet hat. Vieles erinnert an ein bewegtes und vor allem weitgereistes Leben. Auch Kunst fand und findet immer einen Platz in ihrem Herzen. Besonders angetan hat es ihr das Lieblingsmotiv «Pietà» von Michelangelo. Die Skulptur hat einen Ehrenplatz auf dem Fenstersims.
Mittlerweile ist auch Nadine Fernandes auf einen Besuch eingetroffen. «Sie ist meine Nichte» sagt Vollenweider mit einem fröhlichen Lachen «wenn auch nicht ganz blutsverwandt.» Nadine sei ihr eine grosse Stütze. Insbesondere im Erledigen von administrativen Belangen und sonstigen Alltagssachen. Man spürt sofort, die beiden Frauen stehen sich nahe und begrüssen sich herzlich. Jean Ann Vollenweider ist eine «Madame von Welt». Fast selbstredend, dass sie auch noch aktiv in den sozialen Medien unterwegs ist.
Isabel Steiner Peterhans





