Pubertät: Wenn das Chaos einzieht
06.12.2024 Gesundheit, Kolumne/AngetipptBeratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
Frage von Fabian:
«Wir haben immer öfters Streit ...
Beratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
Frage von Fabian:
«Wir haben immer öfters Streit mit unserem 15-jährigen Sohn. Alles, egal ob es um Kleidung, Schulnoten oder Ausgehzeiten geht, scheint er grundsätzlich abzulehnen. Letzte Woche haben wir ihm erlaubt an eine Party zu gehen. Als es dann um die Regeln und die Rückkehrzeit ging, ist er ausgeflippt, hat Türen geknallt und uns vorgeworfen, wir würden ihm keine Freiheit lassen. Das muss die Pubertät sein. Bei unserer Tochter ist es auch bald so weit. Wie können wir damit umgehen?»
Lieber Fabian, du suchst eine Lösung für den täglichen «Pubertäts-Wahnsinn»? Die gibt es zwar, aber eben doch nicht wirklich! Zunächst: Atme tief durch. Türen knallen, Augen rollen, hitzige Diskussionen und mehr gehören von nun an für vier bis sechs Jahre zum Familiendasein dazu. Hier ein paar Gedanken und Inputs dazu, um das Familienleben zu erleichtern.
Neues Familienmitglied: Schlechte Laune
Weisst du noch, wie dein Kind dir früher mit strahlenden Augen Küsse schenkte und stolz über die Erlebnisse des Tages plapperte? Das ist nun vorbei. Die neue Kommunikation läuft etwa so. «Wie war dein Tag?» – «Gut». «Was hast du vor?» – «Nichts». «Machen wir etwas?» – «Weiss nicht». Miesepetrig und fast schon unfreundlich drauf, verschlossen, schnell genervt: Das ist Pubertät! Wichtig ist, dass du die Laune des Jugendlichen seine lässt – und dir deine damit nicht verdirbst.
Der beste neue Kollege: Chaos
Hirn und Körper des Teenagers haben jetzt alle Hände voll zu tun. Für so unwichtige Dinge wie Ordnung bleibt nun keine Zeit mehr. Im Hirn reifen die Impulskontrolle und das rationale Denken später als die Emotionen. Dadurch entstehen impulsives Verhalten, Stimmungsschwankungen und Konflikte mit Eltern. Dein Teenie steckt mitten in der Persönlichkeitsfindung. Chaos gehört leider dazu
– auch wenn du manchmal das Gefühl hast, ausziehen zu wollen. Also, mach sein Chaos nicht zu deinem. Nur du kannst jetzt mit deiner Struktur und Ordnung den Halt geben, den es nun braucht.
Neuer Zeitvertreib: Streit
Bleib bei Meinungsverschiedenheiten ruhig und sachlich und zeige Verständnis, auch wenn das schwerfällt. Mögliche Reaktionen sind: «Ich verstehe, dass dir deine Freiheit wichtig ist.» oder «Es ist okay, dass du deinen eigenen Weg finden willst.» Das kann die Situation entschärfen und gibt deinem Teenager das Gefühl, ernst genommen zu werden. Am besten formulierst du deine Anliegen in ruhigen Situationen, ohne Vorwürfe zu machen, und forderst Respekt und deine Regeln ein.
Regeln: Aber bitte flexible
Geht es beispielsweise um Ausgehzeiten, dann könnt ihr auch verhandeln. Vielleicht eine etwas spätere Rückkehrzeit vereinbaren, wenn er sich zwischendurch per Nachricht kurz meldet. So fühlt er sich einbezogen, und du behältst trotzdem ein wenig die Kontrolle.
Machtkampf: Dann hast du verloren
Versuche zu reden, nicht zu kämpfen. Frag nach seinen Beweggründen und erkläre ihm deine eigene Perspektive, ohne Vorwürfe zu machen oder zu drohen. Wenn er sich an Abmachungen hält, lobe und belohne ihn dafür. Positive Bestärkung wirkt oft Wunder.
Regeln brechen: Dazu sind sie da
Bleib auch in diesem Fall ruhig. Besprecht möglichst sachlich und allenfalls zeitverschoben die Konsequenzen gemeinsam. Drohungen im Affekt und Strafen bringen nichts. Das weisst du, und dein Teenager sowieso. Hab Vertrauen darauf, dass dein Kind seine Erfahrungen macht. Du darfst zwar loslassen, aber signalisiere: Ich bin immer da, wenn du mich brauchst.
Verbieten: Reden ist besser
Deine Tochter will mit Highheels in den Ausgang. Du: «Diese Schuhe kannst du nicht anziehen, es ist doch Winter.» Auf das Verbot folgt nun das Drama. Vorwürfe, Tränen und die berühmte Zugabe «Ihr versteht mich einfach nie!» Was hilft? Beginne ein Gespräch. «Wow, das sieht toll aus. Wie kannst du in diesen Schuhen überhaupt laufen? Zeig mir mal, wie du das machst.» Interesse und Humor entschärfen oft und mehr, als du denkst. Am Ende ziehen Teenies ihr Ding meistens sowieso durch. Wieso also streiten? Und so bleibst du in Kontakt und verlierst sie nicht.
Party: Zu Hause ist es am schönsten
Dein Teenager lädt Freunde ein und das Wohnzimmer verwandelt sich regelmässig in ein Schlachtfeld? Klar, das nervt, aber es gibt Lösungen. Könnt ihr gemeinsam einen «Partykeller» in der Garage einrichten? Mit altem Sofa, Sitzkissen, Musik, farbigem Licht und ein paar klaren Regeln. Das gibt allen mehr Frieden. Dein Kind und Friends haben ihren Platz und du weisst trotzdem, wo was läuft.
Fehler: Müssen sein
Zuzusehen, wie dein Teenie Mist baut, ist schwierig. Aber genau das gehört dazu. Stell dir vor, er lässt tagelang schmutziges Geschirr im Zimmer stehen und überall liegt Wäsche rum. Statt zu schimpfen, sag einfach: «Das ist dein Zimmer – deine Verantwortung.» Fehler sind der beste Lehrer, also lass dein Kind seine Erfahrungen selber machen. Du bist nicht der Chef vom Dienst, sondern der Berater im Hintergrund.
Der Höhlenbewohner: Teenager
Manchmal scheint es, als würde dein Teenager nur noch in seinem Zimmer hausen. Chaos und seltsame Gerüche können dich wahnsinnig machen. Aber das Zimmer ist sein Rückzugsort, sein Universum. Auch wenn dein Sohn gefühlte Jahre in einer Art Müllhalde lebt, das verspreche ich dir: Irgendwann wird es ihm zu viel und er räumt auf. Also entspann dich, auch das geht vorbei.
Das Geheimnis: Mitmachen
Dein Kind hat neue Hobbys? Super! Lass dich darauf ein. Deine Tochter macht sich tolle Frisuren oder Gelnägel-Kunst? Dein Sohn erklärt dir Games oder tunt den Elektroroller? Probiert das gemeinsam aus. So bleibt ihr im Gespräch und du entdeckst Dinge, die du nie kennengelernt hättest.
Königsdisziplin: Loslassen
Das Schwierigste an der Pubertät deiner Kids? Loslassen. Dein Job verändert sich. Du bist nicht mehr Chef und Erzieher, sondern begleitender Coach im Hintergrund. Lass dein Kind immer mehr eigene Entscheidungen treffen und die Konsequenzen daraus spüren. Dein Teenie verschläft den Bus? Bitte nicht mit dem Auto hinfahren. Nächstes Mal plant er besser, bestimmt.
Hilft bestimmt: Humor
Wenn nichts mehr geht, hilft oft Humor, ein Lachen, eine Prise Gelassenheit und die Gewissheit, dass diese Phase irgendwann vorbei ist. Später werdet ihr zusammensitzen und über die wilden Jahre lachen. Später werden sie dir dann auch alle Dinge erzählen, die sie dir heute noch verschweigen. Darauf kannst du dich schon jetzt freuen.
Viel Erfolg mit dieser neuen Leichtigkeit.
Kris Selby
Weitere Fragen erreichen mich an mail@irisselby.ch
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