In der «Reussbote»-Gastkolumne vom Freitag, 31. Oktober, macht sich Annetta Schuppisser stark für die Service-Citoyen-Initiative, deren Initiantinnen und Initianten die Idee als Mittel zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Gleichstellung ...
In der «Reussbote»-Gastkolumne vom Freitag, 31. Oktober, macht sich Annetta Schuppisser stark für die Service-Citoyen-Initiative, deren Initiantinnen und Initianten die Idee als Mittel zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Gleichstellung präsentieren. Gleichstellung? Frauen leisten bis heute den grössten Teil der unbezahlten Care-Arbeit und leiden immer noch unter Lohndiskriminierung.
Die Anerkennung der Care-Arbeit, die zum grössten Teil von Frauen geleistet wird, ist seit Jahren eine zentrale Forderung. Sie stand im Mittelpunkt der grossen feministischen Streiks von 2019 und 2023. Anstatt die unbezahlte Care-Arbeit endlich aufzuwerten, wird der «Service-citoyen» auch Frauen zu einem Dienst zwingen, zusätzlich zur unbezahlten Arbeit. Dieser Dienst wird grösstenteils in den Bereichen Pflege, Bildung oder Soziales geleistet werden – alles Branchen, die derzeit erhebliche Investitionen in bessere Arbeitsbedingungen benötigen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ein massiver Zustrom von unqualifiziertem und schlecht bezahltem Personal wirkt diesen Bestrebungen diametral entgegen und wird nicht zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Fachkräfte führen – im Gegenteil. Gegnerinnen und Gegner der Initiative weisen darauf hin, dass das Lohndumping in diesen Branchen vor allem Frauen treffen wird, weil diese überproportional in diesen Bereichen arbeiten.
Der obligatorische Dienst ist zudem potenziell rechtswidrig. Expertinnen und Experten warnen, dass dies einen erheblichen Eingriff in die persönliche Freiheit und die Grundrechte jedes Einzelnen darstellt. Ein Pflichtdienst würde gegen das im Völkerrecht vorgesehene Verbot der Zwangsarbeit gemäss dem UNO-Pakt II und der Europäischen Menschenrechtskonvention verstossen. In der UNO-Menschenrechtscharta heisst es: «Niemand darf zu Zwangs- oder Pflichtarbeit verpflichtet werden.»
Diese Initiative ist der falsche Weg zu einer wirklichen Gleichstellung.
Urs Weber, Scheunengasse, Mellingen