Von Null auf Wutanfall – die Autonomiephase
06.06.2025 GesundheitBeratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
Frage von Linda und Markus:
«Unsere zweijährige ...
Beratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
Frage von Linda und Markus:
«Unsere zweijährige Tochter hat immer wieder heftige Wutanfälle, sobald etwas nicht nach ihrem Willen läuft – zu Hause, als auch unterwegs. Wie können wir in der Öffentlichkeit und zu Hause mit solchen Ausbrüchen umgehen?»
Die Autonomie verstehen
Ab dem zweiten Lebensjahr löst sich das Kind aus der innigen Symbiose der Eltern. Es entdeckt den eigenen Willen, während die Fähigkeit Impulse zu zügeln, erst entsteht. Wenn ein Wunsch unerfüllt bleibt, verbinden sich ungebremster Wille und noch fehlende Frustrationstoleranz – der klassische Wutanfall entsteht. Erinnert euch in solchen Momenten daran, dass euer Kind nicht kalkuliert trotzt, sondern einen wichtigen Entwicklungsschritt vollzieht. Eure Gelassenheit wirkt dabei wie ein Schutzmantel, in dem sich heftige Gefühle sicher entladen dürfen.
Grenzen in der Öffentlichkeit
Bereitet euer Kind vor, bevor ihr das Haus verlässt. Als Beispiel hilft vor dem Einkaufen ein kurzer Satz wie «Wir kaufen nur, was auf der Liste steht, danach darfst du dir auch etwas Kleines aussuchen». Dies gibt dem Kind innere Sicherheit. Kommt es dennoch zum Ausbruch, dann gehe in die Hocke, halte Blick- oder sanften Körperkontakt und benenne das Gefühl des Kindes. Bleib freundlich, aber bestimmt. Dein ruhiger Ton vermittelt Sicherheit, deine Konsequenz zeigt, dass Bitten oder Schreien das Ergebnis nicht verändern. Führe dein Kind, falls nötig, kurz aus der Situation heraus. Auf die andere Seite des Gestelles oder an die frische Luft, um durchzuatmen. Danach setzt ihr den Einkauf fort. Damit zeigst du, dass der Alltag weitergeht, ohne dein Kind zu beschämen.
Wut zu Hause
Zu Hause sind feste Abläufe die beste Massnahme gegen Frust. Wenn Mahlzeiten, Ruhephasen und Spielzeiten berechenbar sind, werden die Übergänge weniger bedrohlich. Tritt trotzdem ein Sturm auf, bleib in seiner Nähe, atme ruhig und gib deinem Kind Worte für das Chaos: «Du bist wütend, weil dein Spielturm umgefallen ist.» Sobald sich das Nervensystem beruhigt hat, bietest du eine machbare Alternative an, wie etwa gemeinsam einen neuen Turm zu bauen. Dein Kind erlebt so, dass Gefühle sein dürfen, Bedürfnisse gehört werden und Lösungen möglich sind, ohne alles sofort zu bekommen.
Rituale, Vorwarnungen, Wahlfreiheit
Rituale schaffen einen unsichtbaren Rahmen, der Sicherheit und Orientierung gibt. Feste Essenszeiten, ein wiederkehrendes Abendritual oder der regelmässige Sonntagsausflug lassen dein Kind den Tag vorausahnen, statt ihn ständig neu verhandeln zu müssen. Da jeder Übergang eine Krise auslösen kann, ist eine zeitliche Vorwarnung wichtig. Sag zum Beispiel in Augenhöhe «In zehn Minuten räumen wir auf» und zeige dem Kind auf einem «Timer» die verstreichende Zeit. Entscheidungsfreiheiten in kleinen Dosierungen verhindern auch die kleinen Wutanfälle – «Möchtest du die braunen Schuhe oder die Stiefel anziehen?» Das stärkt das Selbstwertgefühl und reduziert Widerstand, weil dein Kind erlebt, dass auch seine Meinung zählt.
Liebevolle Konsequenz
Übertriebene Strenge, Strafen und Druck sind überholt. Sie schaden der Bindung und lehren dein Kind vor allem eines: Angst. Grenzenloses Verwöhnen führt dazu, dass dein Kind Frust nur schlecht aushalten kann und dann im Kindergarten oder in der Schule umso härter mit Regeln konfrontiert wird. Die Kunst liegt im goldenen Mittelweg: Begleite dein Kind sanft aus seiner egozentrischen Welt in die soziale Gemeinschaft, ohne es zu brechen und ohne es zum kleinen Tyrannen zu erziehen. Liebevolle Konsequenz wirkt dagegen nachhaltiger. Du bleibst freundlich, setzt den vereinbarten Rahmen aber zuverlässig um. Wer mit Empathie, Humor und verlässlicher Führung lebt, zeigt dem Kind, dass Selbstbehauptung und Rücksicht sich gegenseitig ergänzen. Das ist die beste Grundlage für ein selbstbewusstes und zugleich sozial kompetentes Aufwachsen.
Wenn du nach dem fünften Supermarkt-Fiasko feststellst, dass deine Zen-Reserven nur noch für den Gang zur Kasse reichen, nimm es als Zeichen. Auch Eltern dürfen sich Hilfe holen. Wenn die Autonomiephase mehr «schlecht als recht» ist, dann lohnt es sich, gemeinsam mit mir ganz individuelle Erziehungsideen zu entwickeln. Erprobte Tipps, charmante Trainingsblätter und glitzernde Sticker, mit denen dein Kind die Frustrationstoleranz üben kann, warten bei mir auf euch. Dann kann wieder neue Leichtigkeit in euren Alltag einkehren, versprochen!
Eure Erziehungsberaterin Iris Selby
Weitere Fragen erreichen mich per E-Mail: mail@irisselby.ch
Interesse an Erziehungskursen, Erziehungsberatung oder dem monatlichen Elterntreffen in Tägerig mit dem Fokus Erziehung: www.irisselby.ch