Vulgärsprache – wenn Kinder unanständige Worte sagen
19.09.2025 GesundheitBeratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
«Vor der Schule höre ich Kinder, die mit schlimmen ...
Beratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung: Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch Dich selbst!
«Vor der Schule höre ich Kinder, die mit schlimmen Worten um sich werfen. Nun spricht auch mein Sohn zu Hause unanständig und beschimpft damit seinen Bruder. Was können wir dagegen tun?» – fragt eine Mutter, die erlebt, wie Sprache Grenzen überschreitet.
Wenn wir von Vulgärsprache sprechen, meinen wir meistens eine Sprache, die als abstossend und derb empfunden wird, Dies, um die Grenzen des guten Geschmacks und des Anstands auszutesten und zu missachten.
Schimpfworte sind spannend
Alles, was nicht erlaubt ist, übt eine grosse Faszination aus. Unanständige Worte gehören dazu. Wenn Erwachsene stark auf die «verbotene Sprache» reagieren, merken Kinder schnell: Das hat eine besondere Wirkung. Diese wollen sie austesten, zunächst nicht einmal aus Böswilligkeit. Dadurch entsteht ein Gefühl von Kontrolle und Macht. Zudem gehören Schimpfwörter manchmal auch zu einer Art Mutprobe oder einem Gruppenritual. Wer «Arschloch» oder «Fuck» sagt, will damit Stärke oder Zugehörigkeit beweisen.
Schimpfworte sind normal
Der Einfluss von Rappern (und allgemein der Popkultur) auf die Sprache von Kindern ist vor allem in den letzten Jahren stark gestiegen. In Rap-Texten sind derbe Ausdrücke, Kraftausdrücke oder Beleidigungen oft ein fester Bestandteil. Kinder hören diese Worte und empfinden diese dadurch nicht mehr als verbotene Sprache. Rap ist rhythmisch, bildhaft und experimentell mit Sprache. Kinder greifen diese sprachliche Freiheit auf – manchmal auch gerade die Tabuwörter, weil diese auffallen.
Schimpfworte sind Luftverschmutzung
Schimpfwörter wirken in einem Raum wie Rauch. Sie verschmutzen die Atmosphäre und machen das Miteinander stickig. Kinder verstehen das Sinnbild sehr gut, dass bestimmte Worte die gute Stimmung kaputt machen, so wie wenn ein schlechter Geruch sich verbreitet. Damit erhalten sie ein gutes Bild davon, warum es lohnt, auf die Sprache zu achten.
Gelassen bleiben
Wenn Erwachsene heftig auf Vulgärsprache reagieren, machen sie die Worte nur noch spannender. Kinder spüren sofort, dass sie mit einem einzigen Ausdruck grosse Aufmerksamkeit gewinnen können. Statt laut zu schimpfen, hilft eine klare, sachliche Ansage. Ein ruhiger Tonfall nimmt den Reiz. Beispielsweise: «Dieses Wort möchten wir hier nicht mehr hören.» Oder ruhig nachfragen, ob das Kind weiss, was das Wort bedeutet, wo es das Wort herhat, was es damit ausdrücken will und warum es dieses verwendet.
Regeln und kreative Ideen
Regeln helfen beim Umgang miteinander. Orientierung bieten Sätze wie: «In unserem Zuhause sprechen wir respektvoll. Beleidigungen verletzen und sind nicht erlaubt.» Gleichzeitig helfen kreative Methoden: Das kann ein «Schimpfwort-Kässeli» sein. Jedes unanständige Wort (auch von den Erwachsenen) kostet 50 Rappen. Nach einiger Zeit wird das Geld gespendet oder gemeinsam ausgegeben. So wird das ursprüngliche «Problem» in ein Gemeinschaftsprojekt umgewandelt.
Eine andere Möglichkeit ist ein «Wortkübel» in der Ecke eines Zimmers. Wenn ein Kind ein grusiges Wort loswerden möchte, darf es dieses in den Eimer sagen. Danach wird der Eimer in der Toilette geleert – dahin, wo diese Worte hingehören – und dann gespült. Das Ritual sorgt für Humor und macht klar: Schimpfwörter dürfen raus, aber nicht gegen Andere gerichtet. Auch könnten alle Schimpfwörter benannt, gesammelt, auf ein Blatt aufgeschrieben und dann entsorgt oder verbrannt werden.
Gefühle in Worte fassen
Hinter einem Schimpfwort steckt meist ein Gefühl. Wenn der Sohn «Blöder Idiot!« ruft, dann steckt vielleicht Wut oder Frust dahinter. Eltern können nachhaken: «Bist du sauer, weil dein Bruder den Ball genommen hat?» So lernen Kinder, Gefühle zu benennen – und nicht automatisch zu beleidigen. Jungs fällt es oft schwerer Gefühle sprachlich auszudrücken, als Mädchen. Daher hört man Tabu- und Kraftausdrücke auch vermehrt bei den Jungs.
Vorbild macht Schule
Eltern unterschätzen oft, wie genau Kinder zuhören. Wir machen es vor, die Kinder machen es nach. Garantiert. Wenn Erwachsene im Strassenverkehr «Idiot» rufen oder beim Heimwerken «Scheisse», dann wird das sofort imitiert. Wer selbst gelassen und freundlich bleibt, auch bei Ärger, zeigt vor, wie man mit Sprache respektvoll umgeht.
Ersatzwörter und Humor nutzen
Manchmal helfen humorvolle Alternativen. Statt «Trottel!» kann man dazu ermutigen, ein harmloses Fantasiewort zu verwenden – etwa «Quatschbanane» oder «Blumenkohlkopf». Das klingt witzig, entlastet die Situation und macht deutlich: Man kann Ärger ausdrücken, ohne direkt zu verletzen.
Wenn Kinder die Wörter gar nicht verstehen
Besonders bei kleinen oder fremdsprachigen Kindern kommt es vor, dass sie Schimpfwörter nachplappern, ohne deren Bedeutung zu kennen. Hier ist Erklärung wichtig: «Dieses Wort benutzen manche, aber es passt nicht, weil es andere verletzt.» Kinder lernen dadurch, dass Sprache Wirkung zeigt – und dass manche Wörter besser unausgesprochen bleiben.
Anerkennung für Fortschritte
Wenn Geschwister einen Streit einmal ohne Beleidigungen austragen, lohnt es sich, das zu bemerken. Ein Satz wie «Das war toll, dass ihr euch ohne böse Worte geeinigt habt» bestärkt Kinder darin, diese Ausdrucksweise häufiger zu nutzen.
Anstand ist Übungssache
Die (Jugend-)Sprache verändert sich. Schimpfworte verschwinden nie ganz. Aber wenn Kinder zu Hause lernen, dass Respekt auch in hitzigen Momenten zählt, entwickeln sie eine Haltung, die sie weit über Kindheit und Jugend begleitet. Anstand und Achtsamkeit entsteht im Alltag – nicht durch einmalige Ermahnungen, sondern durch Vorleben, Erklären und gemeinsames Üben. So wird Sprache nicht nur Mittel zum Streiten, sondern vor allem zur Brücke zum Miteinander. Viel Erfolg auf diesem gemeinsamen Weg!
Eure Erziehungsberaterin Iris Selby
Weitere Fragen erreichen mich per E-Mail an: mail@irisselby.ch
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