«Wir möchten Vorbilder sein für die Mädchen»
22.07.2025 Sport, FussballDie vier Trainerinnen der FF11 des FC Fislisbach über den Nachwuchs im Frauenfussball
Was macht die Women’s Euro mit dem weiblichen Nachwuchs? Ein Verein, der schon lange Pionierarbeit im Mädchen- und Frauenfussball leistet, ist der FC Fislisbach.
Leonie ...
Die vier Trainerinnen der FF11 des FC Fislisbach über den Nachwuchs im Frauenfussball
Was macht die Women’s Euro mit dem weiblichen Nachwuchs? Ein Verein, der schon lange Pionierarbeit im Mädchen- und Frauenfussball leistet, ist der FC Fislisbach.
Leonie Attiger (19), Magali Bohren (16), Jessica Rauber (18) und Anna Lena Van Petegem (18) haben einiges gemeinsam: Sie spielen in der ersten Mannschaft des FC Fislisbach 3.-Liga-Fussball, kennen sich schon aus Juniorinnentagen beim FCF, sind befreundet – und trainieren gemeinsam die FF11, die jüngste Mädchenmannschaft des FCF.
Vier Trainerinnen – davon träumen andere Vereine mit Junioren- und vor allem mit Juniorinnenmannschaften. «Wir sind halt alle recht beschäftigt», erklärt Jessica Rauber: «Und zu viert können wir sicherstellen, dass immer jemand das Training vorbereiten und da sein kann.» Doch nicht nur das: Das Interesse am FF11-Team ist in letzter Zeit gewachsen. Und ein allfälliger Boom, den die Women’s Euro auslöst, ist da noch gar nicht mit einkalkuliert. Christian Métral, der zum einen die ersten Frauenmannschaft trainiert, also Trainer der vier jungen Frauen ist, zum anderen beim FCF aber auch Frauenverantwortlicher ist, sagt: «Wir haben keine Warteliste, und wir setzen auch alles daran, keine führen zu müssen. Vorher gibt es einfach eine zweite Mannschaft. Mädchen, die Fussball spielen wollen, sollen das bei uns können.»
Wie wichtig das ist, belegen die Fussballkarrieren von Leonie Attiger, Magali Bohren, Jessica Rauber und Anna Lena Van Petegem. Obwohl sie alle Fussball als einen eminent wichtigen Teil ihres Lebens bezeichnen, auf den sie unter keinen Umständen verzichten würden, hat keine von ihnen je mit einer Profi-Karriere geliebäugelt. «Wenn wir das wollten, müssten wir längst bei Aarau spielen. Mindestens», sagt Van Petegem. Rauber ergänzt: «Wir hätten alle viel jünger anfangen müssen.» Zwar haben alle vier als kleine Mädchen schon mit Hingabe getschuttet, aber einem Verein schlossen sie sich alle relativ spät an. Der simple Grund: Sie hätten bis zur U15 mit den Jungs trainieren müssen. Anna Lena hat das ein halbes Jahr lang gemacht. «Dann habe ich aufgehört und lange gar nicht mehr Fussball gespielt. Ich wurde oft angeschnauzt, runtergemacht. Ich will jetzt überhaupt nicht sagen, dass alle so gewesen wären – aber viele hatten halt schon das Gefühl, der nächste Messi zu sein.» Für die anderen war es immer schon klar, dass sie lieber nicht in einem Verein spielen als gemeinsam mit den Buben zu trainieren.
Ehrgeiz und Safe Space
Auf dem Platz wollen alle vier gewinnen. Dennoch sind sie von ihren Anlagen her unterschiedlich: «Ich bin schon ehrgeizig», sagt Leonie Attiger, die kurz davorsteht, mit einem Fussball-Stipendium für ein Jahr nach Kansas zu gehen. Als ehrgeizig bezeichnen sich die anderen drei auch, aber gerade Magali Bohren und Anna Lena Van Petegem sind die, die auf dem Platz auch mal beruhigen. Trainings sind für alle Inseln im Alltag, ein Safe Space. «Wir haben Zeit miteinander, ein gemeinsames Ziel. Da vergisst man allen Ärger, den man sonst vielleicht hat.» Zusammen können sie auch darüber lachen, wie manche Leute darauf reagieren, wenn sie sagen, dass sie Fussball spielen. «Ich habe acht Jahre lang Ballett gemacht, da hatte niemand Fragen», sagt Van Petegem. «Aber wenn ich Jungs in meinem Alter erzähle, dass ich Fussball spiele, werde ich sofort getestet, soll zehn Spieler dieser oder jener Mannschaft aufzählen. Dann sage ich immer: Ich schaue keinen Fussball, ich spiele. Es ist immer noch ein mega Ding.»
«Ich finde es mega toll, dass sich die Mädchen in diesem jungen Alter schon so für Fussball interessieren», sagt Jessica Rauber zu ihrer Arbeit mit den FF11-Mädchen. Sie gibt weiter, was ihr eigener Trainer, Christian Métral, ebenfalls weitergeben möchte: die Freude am Fussball. Métral weiss aus Erfahrung: «Wenn sich so junge Mädchen schon begeistern, dann bleiben sie auch dran und hören nicht mit 15, 16 wieder auf, werden vielleicht selber Trainerinnen oder Schiedsrichterinnen.» Für einen Ausstieg gibt es viele mögliche Gründe: die Pubertät natürlich, aber auch das Fehlen von Ansprechpersonen und Vorbildern. «Das ist genau das, was wir für unsere FF11 sein möchten», sagt Van Petegem. Der Ärger, dass Frauenfussball dauernd mit Männerfussball verglichen wird, prallt schon lange an ihnen ab. «Natürlich ist Männerfussball schneller», sagt Leonie Attiger. «Männer sind einfach physisch anders, das ist keine Frage.» Deshalb können sie auch über die unzähligen Unkenrufe über die Niederlage der Frauen-Nati in einem Testspiel gegen eine männliche U15-Mannschaft nur mit den Schultern zucken. «Ist doch klar», sagt Van Petegem: Nicht nur gibt es die körperlichen Unterschiede, sondern es ist auch alles an einem Fussballfeld auf Männer ausgerichtet: «Unser Goal ist gleich gross wie das der Männer. Bloss ist ein Mann im Tor 1.80 gross, vielleicht 1.90. Eine Frau hat vielleicht 1.70 und auch entsprechend weniger Reichweite. Natürlich fallen da mehr Tore.» Die Women’s Euro hat bis jetzt keine Auswirkungen auf die Anfragen bei den Kleinsten. Christian Métral sagt: «Es kommen eher Anfragen von 15-, 16-Jährigen.» Ihm soll es recht sein: «Von mir aus kann es auch bei den Aktiven eine zweite Frauenmannschaft geben.» Im Moment sind es bereits 26 Spielerinnen. Denn von der Infrastruktur her hat sich der FCF clever aufgestellt: Alle Trainings der Mädchen und Frauen finden dienstags und donnerstags statt. So ist das Garderobenproblem gelöst. Auch für die Trainerinnen ist es praktisch: «Wir trainieren zuerst die FF11 und haben dann selber Training», erklärt Jessica. Und die Juniorinnen-Spiele finden unmittelbar vor den Spielen der ersten Frauenmannschaft statt, ab dieser Saison alle auf dem Hauptplatz. Frauenförderung ist beim FCF definitiv mehr als ein Lippenbekenntnis.
Susanne Loacker